Reiche Familienclans kassieren wieder Milliarden

Dividenden-Party für Blochers, ­Schindlers und Co.

Ralph Hug

2017 ist ein Rekordjahr: Viele Unternehmen schreiben Supergewinne und zahlen Superdividenden. Mehr Gold regnet es vor allem für die schon schwerreichen Familienclans.

Goldenes Picknick (v. l.): Lift-Patron und Porsche-Fahrer Alfred Schindler (liegend); Christoph Blocher und Tochter Magdalena Martullo mit Schloss Rhäzüns; Lafarge-Holcim-Grossaktionär und Ex-Swissair-Verwaltungsrat Thomas Schmidheiny mit Flugi; die Roche-Erben André Hoffmann (mit Roche-Tower) und Puppenmuseum-Besitzerin Gigi Oeri (mit Bäbi); Klaus-Michael Kühne mit einem seiner Kühne-und-Nagel-Lastwagen; Rohstoffhändler Ivan Glasenberg mit dem Glencore-Aktienkurs und UBS-Chef Sergio Ermotti mit Surfbrett (im Pavillon). Illustration: Igor Kravarik

Es ist Frühling. Und wie ­immer im Frühling reiht sich jeweils eine Generalversammlung an die andere. Die Firmen verteilen die im vergangenen Jahr erwirtschafteten Gewinne. Und die sind heuer besonders hoch. Viele Unternehmen schreiben Supergewinne und zahlen mehr Dividenden. Nach Berechnungen der Wirtschaftspresse schütten die an der Börse kotierten Gesellschaften gegen 50 Mil­liarden Franken aus. Allein die dreissig grössten Publikumsgesellschaften von der ABB bis zur Zürich-Versicherung bringen es auf über 39 Milliarden Franken.

DIVIDENDENSEGEN

Das ist ein Rekord. Noch im Jahr 2000 betrugen die Auszahlungen nicht einmal die Hälfte. Doch das Wehklagen über Konjunkturschwäche und den überbewerteten Franken ist längst vergessen. Und ebenso, dass Tausende Arbeitnehmende in der Frankenkrise Gratisarbeit hatten leisten müssen. Sie haben massgebend zur jetzigen Gewinnsteigerung beigetragen. Doch nicht sie kassieren den Mehrertrag. Er fliesst in die Taschen von Management und Aktionären. Diese nicken den Dividendensegen freudig ab.

Zum Beispiel beim WC-Konzern Geberit aus Rapperswil-Jona SG. Dort stand die ­Dividendenparty am 5. April an. An der Generalversammlung gab es 370 Millionen Franken zu verteilen, also 58 Millionen mehr als im Vorjahr. Durch lukrative Übernahmen steigerte das Unter­nehmen den Gewinn um fast 20 Prozent auf Rekordhöhen. Die Geberit-­Dividende wächst jährlich: Strich eine Aktionärin 2013 noch Fr. 3.80 pro Anteil ein, sind es heute 10 Franken, mehr als zweieinhalb Mal so viel. Die Anteilseigner, darunter zwei grosse US-Fonds, winkten den Geldsegen in nur einer Stunde durch. Niemand liess sich von französischen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern stören, die draussen vor der Türe gegen die geplante Vernichtung von 250 Jobs in Frankreich protestierten (work berichtete). Die Brüder Gebert hatten die Firma im Jahr 1997 für 1,8 Milliarden Franken verkauft. Mit einem Vermögen von 750 Millionen Franken rangiert die Familie Gebert ­unter den 300 Reichsten der Schweiz. Das berichtet das Wirtschaftsmagazin «Bilanz».

MILCHKUH EMS

Vor allem Familienclans kassieren jetzt ganz kräftig ab. Ihnen gehören bekannte Firmen von Roche bis Ems-Chemie und von Schindler bis Swatch. Ganz vorne beim ­Garnieren liegt Ems-Chefin und Blocher-Tochter ­Magdalena Martullo. Sie und ihre Schwester Miriam («Läckerli-Huus») sind die Mehrheitsaktionärinnen des Bündner ­Chemiekonzerns. Ihre Beteiligung bringt ­ihnen sagenhafte 250 Millionen Franken. ­Allein dieses Jahr!

Tausende Arbeitnehmende haben in der Finanzkrise Gratisarbeit geleistet, …

Letztes Jahr strich Martullo über 106 Millionen Franken aus Dividenden ein. Damit es nicht so auffällt, lässt sie sich als CEO einen vergleichsweise bescheidenen Lohn von 1,3 Millionen Franken pro Jahr auszahlen. Und kassiert dafür via Anteile umso kräftiger ab. Was auch steuerlich viel interessanter ist, da die Gewinnsteuern tief sind. Das Magazin «Bilanz» beziffert Martullos Vermögen auf rund 4 Milliarden Franken. Ein schöner Teil davon stammt aus den Ems-Dividenden. Seit der Übernahme durch Christoph Blocher im Jahr 1983 dient der Grossbetrieb bei Chur der Familie als einträgliche Milchkuh. Russische Oligarchen? Von wegen! Seit dreissig Jahren gehören auch Blochers zu den Schweizer Oligarchen. Zu den wenigen, die mit ihrem Reichtum Herrschaft ausüben. Zum Beispiel im familieneigenen Schloss Rhäzüns. Dorthin lädt Schlossherr Blocher regelmässig zu mehr oder weniger clandestinen Treffen mit SVP-Grössen und handverlesenen Journalisten.

…. haben massgebend zur jetzigen Gewinnsteigerung beigetragen, …

Der Blocher-Clan gehört aber dennoch nicht zum Schweizer Geldadel, denn hier ist der Reichtum älter. Etwa bei André Hoffmann und der eingeheirateten Gigi Oeri vom Pharmakonzern Roche. Als Mäzenin wirkte die Milliardärsgattin zwölf Jahre als FCB-Präsidentin, sie hat ihr eigenes Puppenmuseum in Basel. Roche, die Geldmaschine in Basel, spült ihnen jährlich Hunderte von frischen Millionen in die Schatulle. Dieses Jahr sollen es rund 600 Millionen sein, schätzt die «Handelszeitung». Niemand in der Schweiz streicht mehr Dividenden ein. Hofmanns und Oeris gelten als «Dividendenkönige». Womit treffend die Regierungsform bezeichnet ist, die in der Wirtschaft herrscht: Monarchie statt Demokratie.

TAUSENDE JOBS WEG

Zu den Riesen im jährlichen Dividenden­inkasso gehört auch Lift- und Rolltreppenkönig Alfred N. Schindler aus der Innerschweiz. Trotz Rücktritt ins zweite Glied – er hat das Verwaltungsratspräsidium letztes Jahr abgegeben –, gibt der leidenschaftliche Porsche-Fahrer immer noch den Ton an im Weltkonzern. Mehr als 100 Millionen Franken fliessen dieser Tage auf die Konten der beiden Aktionärsfamilien Schindler und Bonnard. Sie besitzen 40 Prozent des Firmenkapitals. Die Geschäfte laufen wie geschmiert, der Reingewinn ist um zehn Prozent auf 823 Millionen Franken gestiegen, und der Verkauf einer Tochterfirma hat neben der normalen sogar noch eine Sonderdividende in ähnlicher Höhe ermöglicht. Dass Schindler letztes Jahr trotz Superzahlen über hundert Stellen in Ebikon LU abgebaut hat, ist heute kein Thema mehr.

… doch nicht sie kassieren nun den Mehrertrag.

Eher im Schatten der Grossverdiener steht der weniger bekannte deutsche
Mehrheitsaktionär des Logistikkonzerns Kühne + Nagel. Patron Klaus-Michael Kühne wird mit dem Verfrachten von Containern rund um die Welt diesen Frühling schätzungsweise um 300 Millionen Franken reicher. Was bei den zehn Milliarden, die er bereits auf dem Konto hat, wohl kaum ins Gewicht fällt.

Unmengen von Geld scheffelt auch Rohstoffhändler Ivan Glasenberg bei Glencore in Zug. Dieses Jahr gibt es für die Aktio­näre wieder eine Dividende. Dies, nachdem sich Glasenberg verspekuliert und weltweit Tausende von Jobs gestrichen hat. Nun weist der Konzern wieder einen Reingewinn von 1,4 Milliarden Dollar aus. Vor drei Jahren stand Glasenberg noch als ­ruchloser Steuerprofiteur in den Negativschlagzeilen: Dank der Unternehmenssteuerreform II, die der freisinnige Ex-Finanzminister Hans-Rudolf Merz durchgedrückt hatte, konnte der Südafrikaner trotz Mil­liardenverlusten seiner Firma eine ungeschmälerte Dividende von 182 Millionen Dollar einsacken. Steuerfrei, da sie aus den Kapitalreserven stammte. Heute ist auch das kein Thema mehr.

Nicht weniger als 1,2 Milliarden Franken regnet es derzeit auf die Aktionäre von Lafarge Holcim herab. Ein erheblicher Teil davon geht aufs Konto von Milliardär ­und Ex-Swissair-Verwaltungsrat Thomas Schmidheiny. Der Grossaktionär war vor zwei Jahren eine treibende Kraft bei der Fusion der beiden Zementriesen aus der Schweiz und Frankreich. Obwohl kurz danach im fusionierten Konzern der Gewinn einbrach, hat das Schmidheiny kaum geschadet.

SHOWDOWN BEI DER CS?

Wie gross der Zahltag für die Abzockerbanker bei der Credit Suisse sein wird, war bei Redaktionsschluss von work noch ungewiss. Ihre Dreistigkeit hatte aber selbst in der Wirtschaftspresse Wellen geschlagen. Obwohl der Geldkonzern in den letzten Jahren Milliardenverluste einfuhr, hohe Bussen zahlen musste und Tausende Mitarbeitende auf die Strasse stellte, will die CS-Spitze unverdrossen Höchstlöhne samt üppigen Boni kassieren. Allen voran Verwaltungsratspräsident Urs Rohner. Seit 2011 hat er ein Gesamtsalär von mehr als 25 Millionen Franken eingesackt. Die kritische Anlagestiftung Ethos will an der Generalversammlung nun seinen Kopf fordern. Unter dem Druck einflussreicher US-Stimmrechtsberater musste die Grossbank ihre geplanten Superboni ­bereits kürzen. Statt 11,9 Millionen soll ­CS-Chef Tidjane Thiam jetzt «nur» 10,24 Millionen bekommen. Doch Ethos lehnt die ­Managerlöhne nach wie vor ab. Kommt es jetzt zum grossen Showdown an der GV?

Finanz-Pharma-Food-Komplex:Die Grossabzocker

Vor sieben Jahren kassierte der damalige Chef der Credit Suisse, Brady Dougan, ein Salärpaket von über 90 Millionen Franken (20 Millionen Gehalt plus 70 Millionen ­Bonus). Diese Zeiten scheinen zwar vorbei. Doch noch immer sind exzessive Cheflöhne gang und gäbe. An der Rangfolge der Grossabzocker ändert sich auch diesen Frühling wenig. Die ersten fünf Plätze belegen: Sergio Ermotti (UBS, 14,6 Mio. Franken), Severin Schwan (Roche, 12,3 Mio. Franken), Joseph Jimenez (Novartis, 12 Mio. Franken), Tidjane Thiam (Credit ­Suisse, 10,24 Mio. Franken) und Paul ­Bulcke (Nestlé, 11,6 Mio. Franken).

Tatsache ist: Kaum je wird an einer GV das Abzockergehalt eines Chefs gekürzt. Da können empörte Kleinaktionäre noch so sehr den Kropf leeren. Allerdings wächst derzeit der Widerstand grosser US-Aktionäre und Fonds gegenüber goldenen Boni, insbesondere bei rückläufigen Gewinnen. Beim Elektrotechnikkonzern ABB stimmten gut vierzig Prozent der Aktionäre gegen den ­Vergütungsbericht. Und beim Industriekonzern Georg Fischer fiel dieser gar mit 55 Prozent Nein durch. Mit ein Grund: Die Schweizer Chefs sind die grössten Raffer in Europa. Das belegt eine Studie der Beratungsfirma Willis-Towers-Watson. Sie vergleicht die Top­löhne im Jahr 2015 in den hundert grössten europäischen Konzernen. Die zehn CEO aus der Schweiz liegen mit einem Schnitt von 8,7 Millionen Euro vor allen anderen. Daran hat auch die Minder-Initiative nichts ge­ändert. Gewerkschaftsbunds-Chefökonom ­Daniel Lampart hatte seinerzeit prophezeit, dass sich an den Lohnexzessen nichts ändern werde. Und so ist es auch gekommen. Höchste Zeit also für einen neuen Anti-Abzocker-Anlauf. Dieser müsste das Verhältnis zu den Löhnen thematisieren (siehe Text unten).


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