Editorial

Schimpfen oder impfen?

Marie-Josée Kuhn

Marie-Josée Kuhn, Chefredaktorin work

Irgendwann kommen die militanten unter den Impfgegnerinnen und Impfgegnern immer zum Punkt, wo sie «Nazi!» austeilen, von «Nazi­methoden» reden und einem «Naziregime», das einem irgendwas aufzwinge. Masken zu tragen. Zu testen. Oder zu impfen. Doch nicht alle gehen grad so weit wie Jana aus Kassel. Sie trat kürzlich an einer Demonstration gegen Corona-Massnahmen in Hannover auf und verkündete: «Ich fühle mich wie Sophie Scholl, da ich seit Monaten hier im Widerstand bin!» Die junge Jana verglich sich also mit einer Widerstandskämpferin gegen Hitler, die 1943 von der Gestapo verhaftet, dann zum Tode verurteilt und schliesslich hingerichtet wurde. Das Jana-Video ging viral und löste viel Empörung aus.

Die Nazis waren gar keine Impf-Fans.

«ARTFREMDE STOFFE». Dabei waren die Nazis gar keine Impf-Fans. Hitler lockerte die Impfpflicht sogar, die vorher in Deutschland gegolten hatte. Das sagt der Zürcher Medizinhistoriker Flurin ­Condrau im grossen work-Interview (Seiten 10–11). Die Nazis sahen das Impfen mit «artfremden» Stoffen nämlich als «die grösste Gefahr für den Volkskörper». Zudem waren viele Nazis Anhänger der germanischen Naturheilkunde, die die ­Impferei grundsätzlich ablehnte. Andere hielten die Impfpflicht schlicht für eine bösartige jüdische Erfindung. Geschichte macht gescheiter. Auch die Geschichte von Pocken, Polio und Corona.

Nur: Die Janas dieser Welt wird’s kaum kratzen.

ERFOLGSGESCHICHTE. Die Impfgegnerschaft ist so alt wie das Impfen selber. Also über 300jährig. Und die dazugehörigen Verschwörungstheorien ebenfalls. Auch das lehrt uns die Medizingeschichte: Wir sollten also Tee trinken und cool bleiben. Das ist nicht immer einfach. Eine der aktuell kursierenden Verschwörungstheorien warnt nämlich sogar vor Corona-Tests. Diese dienten lediglich dazu, an unsere DNA heranzukommen. Im Auftrag von Microsoft-Gründer Bill Gates. Da braucht man schon einen starken Tee! Dagegen wirken die Gerüchte aus den Impfanfängen fast schon heiter. Wer sich impfe, mutiere. Etwa zum Menschen mit Kuhkopf. Weil in den Impfstoffen auch tierische Substanzen waren. Heute wie damals misstrauen Menschen der (Schul-)Medizin. Bei allen Skandalen, die diese uns schon serviert hat, und bei aller Profitgier der Pharmabranche ist eine kritische Haltung gegenüber Weisskitteln & Multis sicher richtig. Aber wir sollten gleichzeitig auch nie vergessen: Die Geschichte der Entdeckung der Hygiene und des Impfens ist eine grosse Erfolgsgeschichte.

3 Kommentare

  1. Milada Ferencikova

    Die Maske sollten wir tragen schon früher, wie in China bei jedem Erkältung.Jeder Impfung=fremde Stoff in Körper,genau wie Tabletten, Cigareten, Drogen, Alkohol… Also weil geht uns vor allem um Gesundheit,zu Impfung sage Ja!Machen Sie das für ihre Liebste !!!

  2. Lothar

    Da wird wieder mit der Nazikeule herumgefuchtelt und gedroht, dabei ist es so einfach, kein Zwang. Wer sich impfen lassen will, der soll es tun. Die Impfverweigerer Schaum sich dann die Nebenwirkungen an.

  3. Lechner

    Das mit der Lockerung der Impfpflicht unter Hitler war mir neu. Der wird ja leider in diesen Tagen von allen Seiten benutzt, um die jeweils andere Seite schlecht darzustellen.

    Die Rednerin hätte sich auch an anderen Argumenten festhalten können, auch dann hätte man Sie hier verunglimpft.

    Fakt ist, immer mehr Menschen verlieren das Vertrauen in die Regierung und in die Wissenschaft und solche Artikel bringen das Vertrauen nicht zurück.

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