Abstimmung vom 30. November über die Besteuerung von Mega-Erbschaften
Es geht um Oligarchen, nicht um die Garagisten

Es sieht nicht gut aus für die Erbschaftsinitiative der Juso. Das ist gar nicht gut. Weil die Ungleichheit seit Jahren rasant wächst. Und weil bei einem zu kleinen Ja-Anteil die Überreichen noch dreister werden. Denn sie wollen noch weniger Steuern zahlen als heute schon.

TAX THE RICH: Juso-Präsidentin Mirjam Hostetmann. (Foto: Keystone)

Die 300 reichsten Clans in der Schweiz besitzen 833’500’000’000 Franken. Heute besitzen alleine die zwei reichsten in der Schweiz lebenden Familien mehr Vermögen als vor 26 Jahren alle 100 Reichsten der «Bilanz»-Liste zusammen. Die wenigsten dieser gigantischen Vermögen sind erarbeitet. Die Mehrheit auf der Liste hatte einfach Glück beim Spekulieren. Oder im Geburtslotto.

Ungleichheit wächst

Dem reichsten Prozent der Schweizer Steuerzahlenden gehört unterdessen fast die Hälfte der Reinvermögen. Vor 20 Jahren lag dieser Anteil noch bei rund 35 Prozent. Die 10 Prozent Reichsten im Land besitzen mehr als die übrigen 90 Prozent. 22 Prozent der Steuerpflichtigen besitzen gar nichts oder sind netto verschuldet. 30 Prozent haben ein Vermögen zwischen 0 und 50’000 Franken. Rund 2800 Personen besitzen überhaupt Vermögen über 50 Millionen Franken – das sind 0,051 Prozent aller Steuerpflichtigen. Und selbst innerhalb dieser Superreichen konzentrieren sich zwei Drittel des Vermögens auf etwa 300 Überreiche. Nur etwa 40 Prozent der grossen Vermögen sind selbst aufgebaut, die Mehrheit der Super- und Überreichen haben ihren Reichtum geerbt.

Geerbt, nicht geleistet

Unterdessen werden rund 100 Milliarden Franken pro Jahr vererbt. Gleichzeitig wurde die Erbschaftssteuer seit 1990 massiv abgebaut – von durchschnittlich 4,1 Rappen pro leistungslos kassiertem Franken auf heute 1,4 Rappen. Nur noch vier Kantone erheben überhaupt Steuern auf direkte Nachkommen; Obwalden hat die Erbschaftssteuer 2017 vollständig abgeschafft. Auch die Vermögenssteuern wurden seit den 1990er-Jahren vielerorts gesenkt, und die Einnahmen daraus sind im Verhältnis zur wachsenden Vermögen sogar zurückgegangen.

Reiche und Superreiche sind also eine verschwindende Mehrheit. Aber eine sehr einflussreiche. Das zeigt sich bei der Steuerpolitik der von ihren finanzierten Parteien SVP, FDP, GLP und Mitte. Und das zeigt sich aktuell in der schrillen, seit Monaten mit Millionen gepuschten Kampagne gegen die Zukunftsinitiative der Juso.

Zwei Probleme, eine Lösung

Eine nationale Erbschaftssteuer hat das Volk bisher stets abgelehnt. Das wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch am 30. November so sein. Die letzten Umfragen gehen von einem Ja-Anteil von 23 Prozent (TX-Medien) oder 30 Prozent (SRG) aus. Dabei ist die Juso-Initiative viel sanfter als die schrille Polemik darum, und sie geht erst noch gleich zwei ganz zentrale Probleme aufs Mal an: die vererbten Megavermögen und die enormen Kosten zur Bewältigung der Folgen der Klimakrise. Auch das ergibt Sinn. Denn die reichsten 0,1 Prozent verursachen extrem hohe Emissionen. Konkret: Würde die ganze Welt so leben wie die Überreichen, hätte sich die Erde seit 1996 um 12,2 Grad erwärmt. Das behaupten nicht die Juso, sondern das zeigt eine ETH-Studie.

Es geht nicht um die KMU

Der Juso-Vorschlag auf den Punkt gebracht: 50 Millionen können bundessteuerfrei vererbt werden, darüber greift eine Erbschaftssteuer von 50 Prozent. Es geht also nicht um das Haus der Eltern oder die Briefmarkensammlung, es geht auch nicht um die Garage oder die Apotheke oder das Sanitärgeschäft. Es geht um die Vermögen der Schweizer Oligarchen. Laut der SRF-«Rundschau» wären gerade mal die Erbinnen und Erben von 0,3 Prozent der Schweizer Unternehmen betroffen. 99,7% der Firmen haben weniger als 250 Mitarbeitende und liegen meist unter 50 Millionen Franken Vermögen.

Doch auch die Mehrheit in den entscheidenden Gremien des SGB hegte Zweifel an der konkreten Durchführbarkeit der Initiative und den möglichen Auswirkungen auf Löhne und Beschäftigung, auch wenn sie die Ziele der Initiative teilt. Die SGB-Parole heisst Stimmfreigabe. Unterdessen dürfte der Gewerkschafter und SP-Nationalrat Benoît Gaillard mit einem Konzept für die SP-Fraktion die entsprechenden Befürchtungen allerdings widerlegt haben.

Gewerkschafterkonzept

Die Kernpunkte des Gaillard-Konzepts: Der Bund soll mit den Erbenden Programmvereinbarungen abschliessen können: Investitionen in grüne Projekte könnten bis zur Hälfte der Steuerschuld angerechnet werden. Unternehmerinnen und Unternehmer müssten die Steuer zudem nicht zwingend bar begleichen, sondern könnten auch Sachwerte einbringen, also etwa Firmenanteile, Beteiligungen an Immobiliengesellschaften oder Kunstwerke. So blieben solide Schweizer Betriebe in Familienhand und müssten nicht verkauft werden. Die so eingebrachten Werte würden in einen Staatsfonds fliessen, der die Anteile hält, Erträge erwirtschaftet und sie später veräussert – mit Rückkaufmöglichkeit für die Erben. Ergänzend sieht das Konzept die Möglichkeit vor, die Steuer in Raten über bis zu 15 Jahre zu zahlen, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden.

Macht bei einer konkreten Modellrechnung zu einer Erbschaft von 100 Millionen Franken eine jährliche Steuerrate von 0,5 Millionen aus. Ein halbes Prozent der Riesenerbschaft. Gaillard zu seinem Konzept:

Eine Steuer auf Erbschaften über 50 Millionen hilft gegen die masslose Konzentration der Vermögen. Das Konzept zeigt, dass dies möglich ist, ohne Unternehmen zu zerstören.

Eine Frage der Demokratie

Die Zukunfts-Initiative wird aller Wahrscheinlichkeit nach abgelehnt. Trotzdem ist jede Ja-Stimme wichtig. Denn der massive Mitteleinsatz der Überreichen zeigt, dass ihnen ein Nein nicht reicht. Sie wollen die Diskussion über die wachsende Ungleichheit für möglichst lange abwürgen. Oder wie es der Wirtschaftspublizist Werner Vontobel auf der Plattform infosperber.ch (zum Beitrag) formuliert hat: «Je tiefer die Steuern für die «Mustermillionäre, desto mehr wächst ihre Macht. Bei der Erbschaftssteuer geht es somit nicht nur um die Staatsfinanzen, sondern auch um die Demokratie. Dieses Problem muss auch nach der Ablehnung der Juso-Initiative weit oben auf der politischen Agenda stehen.»

Noch ist Zeit

Extrem tiefe Steuern für die Überreichen stärken deren politische Macht, da sie mit ihren grossen Lobbybudgets den Diskurs verschieben können. Für eine breite öffentliche Diskussion ist es zudem wenig hilfreich, dass die grössten Schweizer Medienhäuser in den Händen von Familien-Clans sind. Einzige Ausnahme ist die NZZ, die als Zeitung des Kapitals ihre liberalen Säulenheiligen allerdings auch ganz schnell vergisst, wenn es um die Besteuerung von extrem hohen Erbschaften geht.
Bis am 30. November um 12 Uhr können noch Ja-Stimmen in die Urnen geworfen werden.

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