Berner Bauarbeiter legen Arbeit nieder
Schaufel weg, Fahne hoch!

800 Bauleute demonstrierten heute in Bern für familienfreundliche Arbeitszeiten und gegen den Kahlschlags-Irrsinn der Baumeister. 

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KEINE 6-TAGE-WOCHE: Die Büezer (Foto: Manu Friederich)

Der Kampf um einen neuen Landesmantelvertrag (LMV) nimmt definitiv Fahrt auf. Nach dem Tessin jetzt auch in Bern. Schon vor fünf Uhr in der Früh machten sich die Unia-Teams bereit: organisierte Bauarbeiter, Vertrauensleute und Gewerkschaftssekretärinnen und -sekretäre. Das Tagesziel sei klar, sagte Co-Regioleiter Alain Gysin zur Menge:

Heute dreht in Bern kein einziger Kran!

An die 70 Baustellen zähle die Bundesstadt zurzeit. Die allermeisten davon seien «unproblematisch», versicherte Gysin. Heisst: Die Equipen haben ihre Protestteilnahme längst beschlossen und werden gar nicht erst zur Arbeit erscheinen. Oder aber sie kommen auf die Baustellen, warten aber bloss auf einen der zahlreichen Gewerkschaftscars, die sie abholen und zur zentralen Protestversammlung chauffieren werden. In einigen wenigen Fällen hingegen sei Stunk zu erwarten. work will es genauer wissen und fährt auf eine Grossbaustelle beim Europaplatz.

IN ALLER FRÜH: Das Unia-Team schliesst die Baustelle beim Europaplatz. Die Büezer lassen sich von den Einschüchterungsversuchen der Bauleitung nicht unterkriegen. (Foto: dak)

Der zuständige Unia-Mann Mike Lörtscher erklärt:

Die Leitung hier übt auf die Arbeiter extremen Druck aus, damit sie sich uns nicht anschliessen.

Tatsächlich wird es schon kurz nach der Ankunft ruppig. Ein Bauleiter flucht und versucht, die Unia-Leute schubsend zu verscheuchen. Vergebens. Zumal ein guter Teil seiner Equipe seine Wahl längst getroffen hat. Sie begrüssen die Unia-Leute kollegial und gut gelaunt. Und brausen dann mit ihnen davon.

Doch davon hat der Bauleiter auf der Riesenbaustelle offenbar nichts mitbekommen. Jetzt steht er fast alleine da. Und behauptet trotzdem, seine ganze Mannschaft wolle heute «ganz sicher» schaffen. Dann zückt er unvermittelt sein Handy und wählt die 117. Und tatsächlich ist die Polizei bald auf Platz. Doch die beiden Beamten bleiben gelassen und meinen nur, sie sähen hier keinerlei Gesetzesbrüche oder Handlungsbedarf. Der Bauleiter tobt. Allerdings an der falschen Adresse. Ein Polizist gibt sich als ehemaliger Bauarbeiter zu erkennen. Und sagt:

Es gibt schon einen Grund, weshalb ich heute eine Uniform und nicht mehr einen Hammer trage.

Doch nicht alle Ordnungshüter reagieren verständnisvoll.

Polizei verhaftet zwei Gewerkschafter

Auf einer Baustelle stellt sich die Polizei den Gewerkschaftern in den Weg. Es kommt zu willkürlichen Personenkontrollen. Ein Mann wird von einem Polizeitrupp mit Schlagstockeinsatz auf den Boden geworfen und dann in Handschellen abgeführt. Eine Frau, die das brutale Vorgehen gefilmt hat, wird ebenfalls verhaftet. Auch deshalb ist die Empörung gross an der Protestversammlung am Waisenhausplatz. Rund 800 Bauleute aus dem Berner Oberland, der Stadt Bern sowie aus der Region Biel /Solothurn haben sich dort versammelt. Bausekretär Johannes Supe findet klare Worte:

Eine derartige Frechheit haben wir hier in Bern noch nie erlebt. Die Betroffenen haben unsere volle Unterstützung.

Immerhin bleibt es der einzige Zwischenfall. Auf den restlichen rund 70 Baustellen bleibt es ruhig. Sehr ruhig für einen Werktag.

DER BAU STEHT STILL: Die Büezerinnen und Büezer in Bern haben die Arbeit niedergelegt. (Foto: Manu Friederich)

In der Innenstadt brodelt’s

Umso lauter ist es in der Innenstadt. Etwa als Bauarbeiter Sebastian Gummert ans Mikrophon tritt und noch einmal klarstellt, was es jetzt brauche, damit die Bauleute wieder ein normales Familienleben führen und der Personalnot entgegnen könnten: «Kürzere Arbeitstage, weniger Samstage, voll bezahlte Reisezeit, eine bezahlte Znünipause und einen garantierten Teuerungsausgleich!» Oder als Maschinist Massimiliano Cordi aufs Rednerpult haut: «Basta!» Und:

Merken es die Baumeister denn immer noch nicht?! Wir verlieren immer mehr verdiente Kollegen, die in andere Branchen wechseln, und die Jungen kommen unter diesen Umständen auch nicht mehr nach. So kann es doch nicht weitergehen!

Tosender Applaus.

LAUT: Die Baubüezer versammeln sich in der Berner Innenstadt. (Foto: Manu Friederich)

Auch Steinmetz Dänu Reber erhält Beifall. Im Namen des Steinhauerfachvereins Bern, den er präsidiert, erklärt er sich solidarisch mit den kämpfenden Maurern und Tiefbauern. Und betont, dass es auch für viele Steinhauer existenziell werde. Denn: «Der Baumeisterverband will uns Steinmetze aus dem Geltungsbereich des LMV werfen!» Den Grund dafür habe ihm der SBV nie erklärt, nicht einmal ein Gespräch habe es dazu gegeben. Es ist diese Überheblichkeit, die viele Arbeiterinnen und Arbeiter zur Weissglut treibt. Und die am heutigen Freitag in einer Bau-Demonstration gipfelte, wie sie Bern schon lange nicht mehr gesehen hat: entschlossen, kämpferisch und sehr, sehr laut. Eines sollte nun definitiv klar sein: Auch die Berner Bauleute sind bereit, für ihre Würde und ihren Beruf zu kämpfen – wenn nötig auch in einer nächsten Runde!

Die Bilder von der Bau-Demo in Bern gibt es hier:

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