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Die Arbeitnehmenden in der Schweiz werden leistungsfähiger. Sie erarbeiten in der gleichen Zeit immer mehr Waren und Dienstleistungen. Im Durchschnitt steigt ihre Produktivität um rund ein Prozent pro Jahr. Eigentlich müssten auch die Löhne im selben Umfang steigen. Denn wenn die Produktivität steigt, können die Arbeitgeber höhere Löhne zahlen, ohne dass sie beim Gewinn Abstriche machen müssen. In den vergangenen zehn Jahren bekamen die Arbeitnehmenden aber wiederholt zu wenig. Die Produktivität wuchs stärker als die Löhne. Noch schlimmer: Zeitweise war die Kaufkraft der Löhne rückläufig, weil die Preise stärker stiegen als die Löhne.

Lohnlücke

Die Lohnrunde im vergangenen Jahr brachte zwar teilweise gute Abschlüsse. Die schwache Lohnentwicklung des letzten Jahrzehnts konnte aber nicht ausgeglichen werden. Die Löhne liegen heute in vielen Branchen kaufkraftbereinigt kaum höher als 2015. Für die Beschäftigten einzelner Branchen ist es gar ein verlorenes Jahrzehnt. Ihre Löhne liegen nach Abzug der Teuerung sogar unter dem Niveau von 2015. Wären die Löhne mit der Produktivität gestiegen, müssten die Löhne in allen Branchen deutlich höher sein. In der Gesamtwirtschaft haben wir eine Lohnlücke von 9 Prozent. Die Löhne hätten wie die Produktivität um 10,5 Prozent und nicht um bloss 1,5 Prozent steigen müssen (siehe Grafik oben).

Mehr Lohn ist nötig

Das Gastgewerbe, die Logistik, die Metallindustrie, aber auch die Hersteller von Lebensmitteln haben die grösste Lohnlücke. Ihre Löhne sind teuerungsbereinigt gesunken. Besser lief es im Maschinenbau, in der IT, in der Telekommunikation oder in der öffentlichen Verwaltung. Die Löhne in diesen Branchen haben heute eine höhere Kaufkraft als noch 2015. Trotzdem klafft auch da eine grosse Lücke im Vergleich zum Produktivitätswachstum. Die Lohnlücke muss deshalb in allen Branchen geschlossen werden. Die Arbeitnehmenden brauchen höhere Löhne, um am Erfolg der Wirtschaft teilzuhaben. Die Gewerkschaften fordern in der aktuellen Lohnrunde unter anderem aus diesem Grund 2 bis 2,5 Prozent mehr Lohn. Und Arbeitnehmende, deren Löhne weniger stark stiegen als die Preise, brauchen endlich den vollen Teuerungsausgleich.

David Gallusser ist Ökonom beim ­Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB).

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