Für nachhaltige Arbeitsplätze in der Schweizer Industrie
Rollmaterial statt Rüstung!

Der Industrie-Verband Swissmem will von der weltweiten Kriegstreiberei profitieren und die Exportbestimmungen für Kriegs­material lockern. ­Und gleichzeitig Sozial­werke und Klimaschutz schwächen. Für Unia-­Präsidentin Vania Alleva ist das ­völlig falsch: Sie fordert eine ­Stärkung der Schweizer Indus­trie durch Züge statt Waffen.

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LIEBER ZUG ALS PANZERWAGEN: Investitionen in die zivile Infrastuktur schaffen mehr Wohlstand für das Land. (Fotos: Keystone)

Während Trump die US-Armee auf den Strassen ­Washingtons patrouillieren lässt, organisierte Armasuisse, das Schweizer Bundesamt für Rüstung, zusammen mit dem Arbeitgeberverband Swissmem erstmals den «Swiss Defence ­Industry Day». Dieser fand Ende August in der Schweizer Botschaft der US-Hauptstadt statt.

«Namhafte Schweizer Rüstungsunternehmen präsentieren sich in einem Showroom an individuell gestalteten Ständen», schreibt der Bundesrat in einer Medienmitteilung. Eingeladen waren Vertreterinnen und Vertreter des US-Department of Defense, das Trump eine Woche später in Department of War (Kriegsministerium) umbenannte. Auch US-Rüstungsunternehmen, der Wirtschaftsverband National Defense Industrial Association sowie Verteidigungs- und Militärattachés verschiedener Länder waren auf der Gästeliste. Ein weiterer «Swiss Defence Industry Day» soll in den nächsten Monaten in der EU-Hauptstadt Brüssel stattfinden.

Swissmem lobbyiert – bisher ohne Erfolg

Diese Werbeanlässe sind Teil der rüstungspolitischen Strategie des Bundesrates, welche die Stärkung der Schweizer Rüstungsindustrie zum Ziel hat. Auf Arbeitgeberseite organisiert Swissmem etwa 100 Rüstungsunternehmen als eigenen Industriesektor Swiss ASD (Aeronautics, Security and Defence). Mit der Lobbygruppe Arbeitskreis Sicherheit und Wirtschaft sorgt Swissmem für die Nähe der Rüstungs­firmen zur Schweizer Politik.

Zur Ankurbelung der Schweizer Rüstungsgeschäfte lobbyiert Swissmem auch für die Lockerung der Exportbestimmungen für Kriegsmaterial. In der Vergangenheit mit Erfolg, zum Beispiel bei den Exporten von Dual-Use-Werkzeugmaschinen nach Russland. Doch die jetzt von Swissmem geforderte Revision des Kriegsmaterialgesetzes hat die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates auf den Winter verschoben. Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher (57) kommentierte dies mit dem makabren Spruch: «Diese Verzögerung ist ein Affront gegenüber der Schweizer Rüstungsindustrie, die mit dem Rücken zur Wand steht.»

Stabile Rüstungsexporte

Obwohl die weltweiten Militärausgaben steigen, sanken die Schweizer Kriegsmaterialexporte im letzten Jahr um 5 Prozent. Vor allem seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine meiden europäische Länder Schweizer Rüstungsfirmen wegen der Neutralität und den strengeren Exportbestimmungen. Insbesondere die Exporte von Panzern und gepanzerten Kampffahrzeugen brachen ein. Doch der Gesamtwert der Rüstungsexporte lag mit 665 Millionen Franken weiterhin über dem Durchschnitt der letzten fünfzehn Jahre.

Klimaschutz statt Krieg

«Die Mittel der öffentlichen Hand müssen nachhaltige Jobs und faire Löhne sichern.» (Vania Alleva, Präsidentin Unia)

Neben der Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes fordert Swissmem auch eine Schwächung des Klimaschutzes und stemmt sich gegen eine Finanzierung der AHV oder Elternzeit über höhere Lohnnebenkosten. Für Unia-Präsidentin Vania Alleva (55) ist das der völlig falsche Ansatz. Sie sagt: «Swissmem will auf den Zug der europäischen Aufrüstung aufspringen und greift gleichzeitig die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in allen Branchen an.» Der Einsatz von Swissmem für die Rüstungsindustrie, gegen die Sozialwerke und das schwindende Interesse an Klimaschutz sind für Vania Alleva besorgniserregend. Sie sagt: «Als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sind wir grundsätzlich gegen Kriegstreiberei, für gute Arbeitsbedingungen und Klimaschutz.» Die Rüstungsindustrie schaffe weder nachhaltigen Wohlstand noch langfristige Beschäftigung.

Tatsächlich führt eine Erhöhung der öffentlichen Ausgaben für Rüstungsgüter um 1 Franken im Schnitt lediglich zu einem Anstieg des BIP um 60 Rappen. Bei Investitionen in die zivile Infrastruktur liegt der Multiplikatoreffekt mehr als doppelt so hoch bei 1,5.

Grossauftrag der SBB

Deshalb fordert die Unia-Präsidentin: «Statt einer Rüstungspolitik fordern wir eine Industrie- und Beschaffungspolitik zugunsten ziviler Leitindustrien, so zum Beispiel bei Aufträgen des öffentlichen Verkehrs.» Bund, Kantone und Gemeinden vergeben jährlich Aufträge im Wert von rund 40 Milliarden Franken an private Unternehmen, vor allem für öffentliche Bauten, Strassen und den öffentlichen Verkehr.

Die SBB haben aktuell einen Grossauftrag für S-Bahnen in Milliardenhöhe ausgeschrieben. Kommt ein Schweizer Hersteller zum Zug, profitieren auch die rund 170 Schweizer Zulieferbetriebe der Rollmaterialindustrie. Alleva sagt: «Die Mittel der öffentlichen Hand müssen nachhaltige Jobs und faire Löhne sichern. Dieser SBB-Auftrag ist die nächste grosse Gelegenheit dafür.»

Die gewerkschaftliche Antwort auf die US-Zölle: Für eine soziale und ­ökologische Industriepolitik

Die Eckpunkte der Unia zum Umgang mit den US-Zöllen und für den ökosozialen Umbau der Schweizer Industrie:

Kurzarbeit bei vollem Lohnausgleich

Wegen der US-Zölle braucht es Schutzmassnahmen für die ­Arbeitsplätze. Die Unia hat sich erfolgreich für die Verlängerung der Kurzarbeitsentschädigung von 18 auf 24 Monate ­eingesetzt. Das Parlament sagt Ja dazu. Die Unia fordert ­weiter, dass alle von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmenden den vollen Lohnausgleich erhalten. Zudem müssen die Unternehmen während des Bezugs von Kurzarbeitsentschädigung auf Kündigungen verzichten.

Sozialökologischer Umbau

Der Bundesrat will wegen seiner Sparpolitik die Innovations­förderung und Investitionen in die Bahninfrastruktur zurückfahren (–30 Millionen Franken pro Jahr bei Innosuisse,–200 Millionen Franken pro Jahr beim Bahninfrastrukturfonds). Das ist Anti-Industrie-Politik. Die Unia fordert staatliche Investitionen in ökologische Zukunftstechnologien und Infrastruktur.

Nachhaltige öffentliche Beschaffung

Seit 2021 gilt das revidierte Bundesgesetz über das ­öffentliche Beschaffungswesen. Die Unia verlangt eine konsequente Anwendung der sozialen, ökologischen und strategischen Kriterien. Konkret müssen Faktoren wie CO2-Aussstoss, Materialrecycling, Integration in lokale Produktionsketten, GAV-Abdeckung bei den Produzenten und Zulieferern und positive Auswirkungen auf den Werk- und Ausbildungsplatz Schweiz bei öffentlichen Aufträgen immer berücksichtigt werden.

Klimaschutz jetzt!

Das Klima- und Innovationsgesetz (KlG) schreibt vor, dass die Bundesverwaltung bis 2040 und die Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie bis 2050 das Netto-Null-Ziel erreichen müssen. Dies ist nur möglich, wenn sofort entschlossen in diese Richtung gesteuert wird.

Deutschland: Auf dem Weg zur Kriegswirtschaft

Satt dem ökosozialen Umbau der Wirtschaft passiert in Deutschland gerade das Gegenteil. Zum Beispiel im VW-Werk in Osnabrück, das der Rüstungskonzern Rheinmetall zur ­Produktion militärischer Fahrzeuge umbauen möchte.

Die ­hohen Umbaukosten investiert der grösste deutsche ­Rüstungskonzern nur, wenn es «sichere Aufträge durch den Bund» gebe. Die VW-Belegschaft wehrt sich bisher gegen
die Pläne von Rheinmetall.

Arbeitsrecht

Weiter fortgeschritten ist der Prozess am ­ehemaligen Alstom-Standort in Görlitz, der Anfang 2025 vom ­Waffenhersteller KNDS übernommen wurde. Anstelle von Doppelstockwagen und Trams müssen die Beschäftigten nun Kampf- und Schützenpanzer herstellen. Dies führt auch zu verstärkten Kontrollmassnahmen an ihrem Arbeitsplatz. Auf politischer Ebene versucht die Europäische Kommission, die Rüstungsindustrie vom Arbeits- und Umweltrecht auszunehmen und ­damit die Begrenzung der Arbeitszeit auszuhebeln.


Von Maschinen bis Chemie: So tickt der Industriewerkplatz SchweizFast eine Million Beschäftigte

Jede fünfte erwerbstätige Person arbeitet in der Schweiz in einem industriellen Betrieb. Trotz Deindustrialisierung und Automatisierung beschäftigt die Industrie damit weiterhin fast eine Million Menschen in der Schweiz.


Industrie weltweit: So nimmt die Politik Einfluss auf die wirtschaftliche EntwicklungIn der Chip-Industrie und Rüstung mischen die grossen Staaten mit

In den grössten Volkswirtschaften der Welt haben staatliche Aufträge und industriepolitische Programme ­einen immer grösseren Einfluss auf die ­wirtschaftliche Entwicklung. Die Nähe von Staat und Grosskonzernen ist im Bereich der Chip-Produktion und Rüstung besonders ausgeprägt.

Industriepolitik ist fester Bestandteil des chinesischen Staatskapitalismus. Nach Schätzungen des US-Think-Tanks CSIS subventionierte China die E-Auto-Industrie zwischen 2009 und 2023 mit mindestens 230 Milliarden US-Dollar. 2015 startete China das industriepolitische Programm MIC 2025, um bis 2050 führender Hersteller von Qualitäts- und Hightech-Produkten zu werden. Seit 2025 ist die chinesische Marke BYD (Build Your Dreams) der weltweit grösste Produzent von E-Autos. Auch die Stahlproduktion in China wird massiv subventioniert, was seit 2020 zu einer Verdoppelung der Stahl­exporte führte. 2024 kündigte Staatschef Xi eine Erhöhung der Subventionen für die Chip-Industrie auf 90 Milliarden Euro an.

Der ökologische Umbau der Industrie wird in der EU seit 2022 im Rahmen des Green Deal Industrial Plan (GDIP) vorangetrieben. Die EU unterstützt europäische Regionen, die überdurchschnittlich von fossilen Brennstoffen abhängig sind, mit 150 Milliarden Euro. Ausserdem wird der Ausbau der Chip-Industrie zusammen mit privaten Investoren bis im Jahr 2030 mit 43 Milliarden Euro subventioniert. Anfang 2025 lancierte die EU-Kommission zudem einen EU-Fonds im Umfang von 20 Milliarden Euro für den Aufbau von KI-­Datenzentren.

Unter dem früheren US-Präsidenten Joe Biden hat der US-Kongress 433 Milliarden US-Dollar zur Förderung der Produktion von Batterietechnik für Elektromobilität und für den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur in den USA bewilligt. Im Rahmen des Chips and Science Act wird die Forschung und die Herstellung von Chips in den USA mit 280 Milliarden US-Dollar subventioniert. Ende August ist die Trump-Regierung mit einer 10-Prozent Beteiligung beim kriselnden US-Chiphersteller Intel eingestiegen. Kostenpunkt: 5,7 Milliarden US-Dollar. Die Regierung prüft ausserdem eine Beteiligung am weltweit grössten Rüstungskonzern Lockheed Martin, der auch die Kampfjets F-35 herstellt.

Die japanische Regierung subventioniert die Chipindustrie und die Förderung «künst­licher Intelligenz» bis 2030 mit umgerechnet 61 Milliarden Euro. Diese Subventionen kommen insbesondere dem halbstaatlichen Joint Venture und Chiphersteller Rapidus zugute, an dem Sony, Toyota und japanische Banken beteiligt sind.

Staatsfonds spielen mit ihren enormen Vermögen ebenfalls eine wichtige Rolle bei industriepolitischen Weichenstellungen. Die einflussreichsten Staatsfonds mit Kapitalanlagen von über 1000 Milliarden Euro befinden sich in Norwegen, China und in den Golfmonarchien.

Die weltweiten Militärausgaben stiegen im vergangenen Jahr um rekordhohe 9,4 Prozent. Sie belaufen sich nun auf 2700 Milliarden Dollar. Das geht aus den Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri hervor. Das Schweizer Rüstungsprogramm 2025 führt voraussichtlich zu Aufträgen an Schweizer Unternehmen im Umfang von 604 Millionen Franken und zu Kompensationsgeschäften in der Höhe von 810 Millionen Franken.

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