Gastro-Graubünden-Vorstand schickte massenhaft Sex-SMS
Wenn der Chef zum Blowjob bittet

Lohnbschiss und Stundenmanipulation: Das werfen Gastro-Büezer dem Chef der Plan B Kitchen AG vor. Die Unia zieht vor Gericht. Jetzt nähren Chats den Verdacht auf sexuelle Belästigung.

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UNSÄGLICH: Roberto Giovanoli schicke seinen Mitarbeiterinnen immer wieder übergriffige Nachrichten. Die Detailaufnahmen und Übersetzungen folgen weiter unten. (Montage: work)

Gleich zweimal wurde die Bündner Gas­troszene diesen Sommer durchgeschüttelt. Zuerst am 16. Juli, als Köchinnen, Pizzaioli und Serviceleute zusammen mit der Unia mitten in St. Moritz einen Protest durchführten. Und vor der Presse schwere Vorwürfe gegen ihren (Ex-)Chef erhoben: Roberto Giovanoli (35), Inhaber der Gastrokette Plan B Kitchen AG, manipuliere die Stundenerfassung, verhänge willkürliche Lohnabzüge, verlange für Dienstzimmer mehr Miete als vereinbart und trickse bei den Löhnen. Auch von lausiger Verpflegung war die Rede, von extremer Arbeitsbelastung und kaum möglichen Pausen. Ein 18jähriger Italiener versicherte gar, er sei schwarz beschäftigt worden – für «1000 Franken bar auf die Hand». Mehrere Angestellte ­wurden zudem ernsthaft krank. Der Kritisierte, notabene Vorstandsmitglied des Arbeitgeberverbands Gastro Graubünden sowie Vizepräsident des Lions Club St. Moritz, rächte sich auf seine Art. Er schasste vier Angestellte fristlos und warf sie aus ihren Wohnungen. Doch die Geschädigten demonstrierten erneut. Diesmal in Chur, wo vier der fünf Plan-B-Restaurants stehen. Giovanoli bestritt weiterhin alle Anschuldigungen. (work berichtete)

Unia zieht vor Gericht

Nun dürfte der Fall bald die Gerichte beschäftigen. Danijela Dragičević von der Unia Ostschweiz-Graubünden bestätigt:

Giovanoli zeigte sich null kooperativ, weshalb wir die Dossiers von fünf Mitgliedern einem Anwalt übergeben haben.

Es gehe um mehrere Zehntausend Franken. Mit weiteren Betroffenen werde die Unia zudem an die Schlichtungsstelle für Arbeitsstreitigkeiten gelangen. Jetzt zeigen work-Recherchen: Es geht sogar um sexuelle Belästigung.

«Ein Fick, dann sind wir quitt»

Da ist zum Beispiel der Chat-Verlauf von Giovanoli mit Servicefrau Berta Frigerio* (33) aus Italien. Er füllt über 50 A4-Seiten und liegt work vor. Frigerio erklärt: «Er schrieb mir zu jeder Tages- und Nachtzeit.» Primär geht es um Organisatorisches. Doch häufig schickt Giovanoli auch Übergriffiges. work hat die Screenshots zusammengestellt:

Servicefachfrau Frigerio informiert ihren Chef Roberto Giovanoli, dass im Restaurant jemand Kaviarproben abgegeben habe. Giovanoli antwortet, er habe kein Interesse an Fischeiern. Und fragt dann völlig unvermittelt: «Wenn du willst, gebe ich dir etwas von meinen Eiern.»
 Frigerio merkt an, sie habe seit 15 Tagen nicht mehr freigehabt. Darauf Giovanoli: «Wenn du willst, gebe ich dir einen Fick, dann sind wir quitt.»
Frigerio kritisiert, sie wolle nicht ständig zusammengestaucht werden für ­Dinge, die ihr nie erklärt worden seien. Giovanolis Reak­tion: «Nächstes Mal fragst du, wie man einen Blowjob macht, dann zeige ich es dir.»
Nachts um 22.11 Uhr schreibt Giovanoli aus dem Nichts: «Domani büro?» Frigerio fragt, was er meine. Antwort: «Ein bisschen ficken».
Frigerio fragt, ob sie trotz Schneefall die Aussenter­rasse herrichten solle. Giovanoli bejaht. Und fragt: «Wollen wir beide ein bisschen ficken? Dann geht es uns beiden gut.»

Immer wieder habe sie klargemacht, dass sie solche Dinge nicht hören wolle, versichert Frigerio. Doch es geht weiter. Bis sie eine Schlafstörung entwickelt und ihr Arzt die Notbremse zieht. Doch auch im Krankenstand fühlt sich Frigerio ausgeliefert. Denn: Sie wohnt im Kellergeschoss des Plan-B-Geschäftssitzes. «Ich hatte dauernd Angst, Giovanoli zu begegnen, und schloss mich deshalb ein.» Dann kündigte sie. Zum Abschied schrieb Giovanoli: «Ich werde dich ruinieren, da kannst du sicher sein! Ich werde alles dafür tun, dass du in der Gegend keine Arbeit mehr findest.» Frigerio fand trotzdem Arbeit, möchte aber anonym bleiben. Aus gutem Grund (siehe Spalte unten).
Und Frigerio ist kein Einzellfall. work kennt etliche Opfer mehr. Etwa Nina Bertani* (37), Köchin aus Italien. Sie hielt es ein halbes Jahr unter Giovanoli aus und sagt:

Er behandelt seine Angestellten wie den letzten Dreck!

Zur systematischen Abzocke kämen noch die vulgären Sprüche dazu. «Einmal hat er mich gefragt, ob ich lesbisch sei und mit wem ich in letzter Zeit Sex gehabt hätte. Ein andermal machte er schlüpfrige Kommentare, als ich eine weisse Sauce steifschlagen musste.» Die Serviceangestellte Noelia Ferrer* (31) aus Paraguay traf es ebenfalls: «Mal nannte er mich dick, dann wieder Hase.» Einmal schickte ihr Giovanoli sogar die Aufnahme einer Überwachungskamera:

Das Foto zeigt ­einen Gast im Plan-B-Lokal ­Jamies. Giovanoli schrieb dazu: «Du hast einen Kunden.» Und: «Geh runter und sag ihm, wie schön er sei.» Der Mann sei sehr reich und spendiere bestimmt ein Gläschen, «das könnte dir helfen». 

Es gilt die Unschuldsvermutung.

*Namen geändert


Die ReaktionenEr droht und wird beschützt

Ein lauter Lacher. So ­reagiert Roberto Giovanoli, als work ihm am ­Telefon eine seiner Chat-Nachrichten vorliest. «Ich glaube nicht, dass ich das je geschrieben habe», sagt Giovanoli. Also liest work eine zweite Nachricht vor. Was den Plan-B-Chef ­rasend macht: «Sie sind der letzte, mit dem ich das besprechen muss», donnert er und droht mit einer Anzeige. Dann hängt er auf. Einen zweiten Anruf unterdrückt Giovanoli. Dafür ruft er kurz darauf die Ex-Angestellte Berta Frigerio* an, von der die Beweise kommen. Da sie Druckversuche vermutet, ­ignoriert sie den Anruf.

Aufatmen

Bemerkenswert sind auch die Reaktionen von Gastro-Graubünden-Präsident und Mitte-Kantonsrat Franz Sepp Caluori sowie von Gastrosuisse-Präsident Beat Imhof. work hatte ihnen die Chatverläufe vorgelegt und gefragt, ob ihre Verbände ein ­solches Verhalten ­tolerierten. ­Zurück kam zweimal der gleiche Wortlaut: «Zu einer ­solchen privatrecht­lichen Angelegenheit» könne man nicht ­Stellung nehmen. Und: ­«Unabhängig von der vorliegenden Angelegenheit» verurteile man ­jegliche Form von sexueller Belästigung aufs schärfste und engagiere sich «seit je dafür, dass in unserer Branche das Thema sehr ernst genommen wird». ­Wenigstens hier darf Giovanoli also aufatmen, sein Platz im Bündner Gastro-Vorstand bleibt unangetastet. 

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