Razzia in den USA und ein neues Arbeitsgesetz in Korea
«In Südkorea hat die Trump-Regierung jegliches Vertrauen verspielt»

Trumps Terrortruppe ICE deportiert mehr als 300 koreanische Arbeiter einer Hyundai-LG-Batteriefabrik in den USA. work hat mit dem koreanischen Gewerkschafter Seil Oh über die Razzia gesprochen. Und über die Situation der Büezerinnen und Büezer im Land von «Squid-Game» und «K-Pop». 

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Die koreanische Regierung mietete kurzerhand einen Jumbo-Jet und brachte über 300 festgenommene koreanische Arbeiter nach einer Woche Gefängnis zurück in ihre Heimat. Die Fabrikarbeiter waren Anfang September bei einer Grossrazzia durch Trumps ICE-Truppen in einer Batteriefabrik von Hyundai und LG im US-Bundesstaat Georgia festgenommen und in Handschellen abgeführt worden.

SIND WIR NICHT FREUNDE? Bei der Rückkehr der koreanischen Arbeiter richteten die Südkoreaner eine Botschaft an die USA. (Foto: Keystone)

Verrat der USA an Korea

In Südkorea wird das Vorgehen der US-Behörden als riesiger Skandal und Verrat gesehen. Seil Oh (49) arbeitet beim koreanischen Gewerkschaftsbund KCTU. Zu work sagt er:

Mit der Razzia wurden die Menschenrechte der Arbeiter auf gravierende Weise verletzt. Viele von ihnen verfügten auch über gültige Arbeitsbewilligungen. In Südkorea hat die Trump-Regierung mit dieser Aktion jegliches Vertrauen verspielt.

SÜDKOREANISCHER GEWERKSCHAFTER: Seil Oh. (Foto: zvg)

Auch die US-Autogewerkschaft UAW kritisiert das rabiate Vorgehen der ICE-Truppen gegen die Arbeiter. Aber auch den systematischen Einsatz von Temporären und die fehlende Arbeitssicherheit in der Fabrik, in die Hyundai und LG 8 Milliarden Dollar investieren. In den letzten zwei Jahren kamen beim Aufbau der Fabrik drei Personen ums Leben.

Die weniger farbige Version von «Squid Game»

Der Überlebenskampf und das Sterben im Kapitalismus sind auch Thema der koreanischen Kultserie «Squid Game». Eine geheimnisvolle Firma rekrutiert verschuldete und verzweifelte Menschen. Beim «Spiel» zwischen Hunderten von Teilnehmerinnen und Teilnehmern überlebt nur der Gewinner. Und kassiert 45 Milliarden Won.

Der alltägliche Kampf der Arbeiterinnen und Arbeiter in Südkorea sieht weniger spektakulär und farbig aus, kann aber genauso tödlich sein. Im letzten Jahr nahmen sich durchschnittlich 40 Personen pro Tag das Leben. Die Suizidrate liegt damit mehr als doppelt so hoch wie in der Schweiz. Auch bei den tödlichen Arbeitsunfällen liegt das Land vor allen anderen OECD-Ländern. Gleichzeitig liegt die Geburtenrate in Südkorea auf einem weltweiten Tiefststand. Und die Frauen in Korea verdienen im Schnitt einen Drittel weniger als die Männer.

Leistungsdruck von den Alten

Seil Oh sagt zu work:

Die Ungleichheit ist hier auch zwischen den Generationen sehr gross. Früher hatten wir in Südkorea starkes Wachstum, und jetzt arbeiten viele Junge in schlechtbezahlten Jobs oder als Plattformarbeiter.

Die ältere Generation übe aber noch immer einen starken Leistungsdruck auf die Jungen aus. Jugendproteste kippten 2023 den Plan der Regierung zur Erhöhung der maximalen Arbeitszeit von 52 Stunden auf 69 Stunde pro Woche. Der damalige Präsident Yoon Suk-yeol (64) sitzt jetzt im Gefängnis, weil er Ende 2024 das Kriegsrecht ausgerufen hatte.

PROTESTE: Junge Menschen demonstrieren gegen den früheren Präsidenten Yoon Suk-yeol. (Foto: Keystone)

Die wachsende soziale Ungleichheit ist auch die Folge der Übermacht von einigen koreanischen Grosskonzernen. Die berühmtesten und grössten sind Samsung, Hyundai, LG und Posco (Stahl). Ihren finanziellen Erfolg haben diese Konzerne auch dem jahrzehntelangen Einsatz von temporären und unterbezahlten Angestellten zu verdanken, so wie sich dies auch bei der Razzia in Georgia zeigte. Obwohl die insgesamt 450 festgenommenen Personen für Hyundai und LG arbeiteten, waren sie nicht direkt von den beiden koreanischen Konzernen, sondern von Subunternehmen angestellt. 

Ein Meilenstein für die Gewerkschaftsbewegung

Den Kampf gegen die Temporärarbeit führen die koreanischen Gewerkschaften seit vielen Jahren. Seil Oh sagt: «Jeder Protest und jeder Streik, der sich gegen den Hauptauftraggeber wandte, wurde bisher als illegal angesehen.»

TAUSENDE AUF DER STRASSE: Protest in Südkorea gegen die schlechten Arbeitsbedingungen der Temporärarbeiterinnen und -arbeiter. (Foto: Keystone)

Ende August hat die koreanische Nationalversammlung dank der neuen, progressiven Mehrheit im Parlament eine Änderung des südkoreanischen Arbeitsgesetzes beschlossen. Die Reform tritt 2026 in Kraft und legalisiert Streiks und Gewerkschaftsmitgliedschaften von Temporären und Plattformmitarbeitenden. Sie arbeiten für weniger als die Hälfte des Durchschnittslohns, häufig ohne Sozialversicherung, Ferien oder Mindestlohn. Kuriere, Plattformarbeiter oder Hauslehrerinnen waren bisher nicht einmal als Arbeitnehmende anerkannt. Gewerkschafter Oh sagt:

Die Gesetzesreform ist ein Meilenstein für die Gewerkschaften und alle prekär Beschäftigten in Südkorea, die rund 40 Prozent der gesamten Arbeitnehmerschaft ausmachen.

Milliardengeschäft «K-Pop»

«K-Pop» ist eine Abkürzung für «Korean Pop». Auch in Europa sind Bands wie Black Pink oder Bangtan Boys extrem populär. «K-Pop» zeichnet sich durch eingängige Melodien, Tanzchoreos, stylische Musikvideos und durchdachte Markenstrategien aus. Die «K-Pop»-Industrie ist entsprechend auch ein milliardenschweres Geschäft. Die Ausbildung der sogenannten Idols beginnt oft im Teenageralter und ist mit extremem Leistungsdruck und strengen Schönheitsidealen verbunden. Das führt bei vielen Jungen auch zu psychischen Krankheiten bis hin zu schweren Depressionen oder zu Suizid.

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