1x1 der Wirtschaft
Tiefe Löhne sind weit verbreitet – vor allem bei Frauen

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Das Parlament beschäftigt sich seit einer Weile mit der Umsetzung der Motion Ettlin. Die Vorlage hat das Ziel, die kantonalen Mindestlöhne zu schwächen: Mindestlöhne in all­gemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträgen sollen Vorrang ­haben, auch wenn sie tiefer sind. Käme die Motion durch, wären Tausende Arbeitnehmende in Tieflohnbranchen davon betroffen.

Die Fakten

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, wie problematisch die Vorlage ist. Viele Arbeitnehmende verdienen Tieflöhne – das sind Löhne, die tiefer sind als zwei Drittel des schweizerischen Bruttomedianlohns, d. h. tiefer als 4525 Franken pro Monat (mal 12) bei einer Vollzeitstelle. Besonders betroffen sind Menschen mit Migrationshintergrund. Knapp 10 Prozent der Männer ohne Migrationshintergrund verdienen einen Tieflohn. Bei den Männern mit Migrationshintergrund sind es fast 14 Prozent. Überpropor­tional betroffen sind Frauen: 18,1 Prozent der Arbeiterinnen ohne Migra­tionshintergrund verdienen einen Tieflohn; also fast jede fünfte. Migrantische Frauen sind ­doppelt gefährdet, tiefe Löhne zu v­erdienen: einerseits als Frauen, ­andererseits als Migrantinnen. 28,2 Prozent der Frauen mit ­Migrationshintergrund verdienen ­einen Tieflohn. Bei migrantischen Frauen der ersten Generation ist fast jede Dritte betroffen, konkret sind es 30,1 Prozent.

Die Räte

Löhne sollten zum Leben ­reichen. Sie sollten mindestens das Existenzminimum sichern und vor ­Armut schützen. Die Zahlen zeigen deutlich, dass dies für viele Arbeitnehmende nicht der Fall ist. Um das Existenzminimum zu sichern, braucht es Mindestlöhne – sowohl Mindestlöhne in Gesamtarbeitsverträgen als auch gesetzliche Mindestlöhne. Es ist völlig unverständlich, dass das Parlament die gesetzlichen Mindestlöhne, deren erklärtes Ziel die Existenzsicherung und die Verhinderung von Working Poor ist, schwächen will. Der Nationalrat hat die Vorlage im Juni bereits durchgewinkt. Die Kommission des Ständerates hat Ende August weitere Abklärungen bei der Bundesverwaltung in Auftrag gegeben. Die Debatte im Ständerat ist somit vertagt. Es bleibt zu hoffen, dass das Parlament noch zu Sinnen kommt und von einer Senkung der tiefsten Löhne absieht.

Noémie Zurlinden ist Ökonomin bei der Unia.

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