Neuste Lohnschere-Studie der Unia zeigt:
Oben klotzen, unten kleckern

Die Lohnabhängigen in der Schweiz verdienen heute real gleich viel oder gar weniger als vor zehn Jahren. Alle Lohnbeziehenden? Nein, ganz oben macht sich eine kleine Kaste die Taschen immer dreister immer voller. 

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Seit 2005 – ihrem ersten operativen Jahr – analysiert die Gewerkschaft Unia die Lohnschere in grossen Schweizer Unternehmen. Für die aktuelle Studie (unter diesem Link abrufbar)  wurden 39 Unternehmen untersucht, die entweder an der Börse hoch bewertet sind oder in der Schweiz mindestens 11'000 Menschen beschäftigen.

Die Lohnschere gibt an, wie die Löhne innerhalb eines Unternehmens verteilt sind. Die Lohnschere zwischen den tiefsten und den höchsten Löhnen in einem Unternehmen ist ein zentraler Indikator für soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Sie zeigt, wie gerecht ein Unternehmen den erarbeiteten Mehrwert auf die Mitarbeitenden verteilt. 1986 lag sie in der Schweiz noch bei 1:6. Der Chef verdiente also in einem Monat so viel wie die am schlechtesten bezahlte Mitarbeitende im Betrieb in einem halben Jahr. Ab dann geht’s steil bergauf mit dem Verhältnis und rapide bergab mit der sozialen Gerechtigkeit. In der ersten Unia-Lohnschere-Studie lag diese im Schnitt bereits bei 1:52. Im vergangenen Jahr jetzt bei 1:143.

Die Bad Ten

An der Spitze der Abzocker stehen erneut Manager von Pharmakonzernen und Banken. Ganz oben: Novartis-CEO Vasant Narasimhan mit einem Jahreslohn von 19,2 Millionen Franken – das 333fache des tiefsten Lohns bei Novartis. Auf Platz zwei folgt Flemming Ørnskov, CEO des Pharmakonzerns Galderma, der das Unternehmen 2024 an die Börse führte und 19 Millionen Franken kassierte. Den dritthöchsten Lohn mit 16,9 Millionen Franken steckte David Layton ein, CEO der Partners Group. Dahinter folgt UBS-Chef Sergio Ermotti, der trotz faktischer Staatsgarantie für die UBS 14,9 Millionen einstrich. Weiter in die Abzocker-Top-Bad geschafft haben es 2024: David J. Endicott (Alcon, 11,7 Mio.), Thomas Schinecker (Roche, 11,1 Mio.), Nicolas Bos (Richemont, 10,6 Mio.), Mario Greco (Zurich, 9,9 Mio.), Hanneke Faber (Logitech, 9,7 Mio.) und Ulf Mark Schneider von Nestlé mit 9,6 Millionen, der allerdings bereits Ende August 2024 seinen Letzten hatte. Er ist auch der Einzige auf der Top-Bad-Liste, der weniger als im Vorjahr verdiente. Bei allen anderen Firmen sind die Spitzenlöhne weiter gestiegen.

Das Kapital freut’s

Die grossen Schweizer Unternehmen haben 2024 hohe Gewinne erzielt und diese in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen an die Aktionärinnen und Aktionäre weitergegeben. Die Dividendenausschüttungen stiegen auf insgesamt 46 Milliarden Franken. Besonders grosszügig mit dem Aktionariat zeigten sich Roche und Nestlé mit jeweils rund 8 Milliarden Franken, Novartis mit 6,7 Milliarden und Zurich Insurance mit 3,9 Milliarden Franken. Zusätzlich gaben die Unternehmen rund 21 Milliarden Franken für Aktienrückkäufe aus, angeführt von Novartis mit 7,3 Milliarden Franken, Nestlé mit 4,7 Milliarden und der UBS mit 2,6 Milliarden Franken. 

Lohndrücker-Allianz

Die steigenden Höchstlöhne, die hohen Ausschüttungen an das Aktionariat und die milliardenschweren Aktienrückkäufe zeigen, dass die Konzerne über mehr als ausreichende Mittel verfügen, um auch die tiefen und mittleren Löhne anzupassen. Doch die Arbeitgeber und die Kapitalgeber wollen das Gegenteil: Die tiefsten Löhne sollen noch weiter sinken. Roland A. Müller, Direktor des Arbeitgeberverbandes, sagte in einer Parlamentskommission glasklar, was die Arbeitgeber von Mindestlöhnen halten, die zum Leben reichen: solche seien «nicht die Aufgabe der Arbeitgeber». Und: «Irgendwo hört es auf. Da muss dann schlussendlich die Sozialhilfe einspringen.» 

Folgsam überwies die nationalrätliche Lohndrücker-Allianz, angeführt von SVP und FDP, in einer Abstimmung der Schande (work berichtete) ein Gesetz, das kantonale Mindestlöhne aushebeln will. Menschen in Tieflohnbranchen würden zum Beispiel in Genf auf einen Schlag 200 Franken und mehr von ihren bereits schon sehr tiefen Löhnen verlieren. Die Gewerkschaften haben das Referendum bereits angekündigt für den Fall, dass auch der Ständerat diesem Lohndrücker-Gesetz zustimmen sollte.

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