SVP-Steinemanns Stolperauftritt
Die dunkelsten Momente der Femizid-«Arena»

In der Polit-Sendung «Arena» wird zum ersten Mal über Femizide gesprochen. Während Silvia Vetsch, Geschäftsleiterin vom Frauenhaus St. Gallen, sowie SP-Nationalrätin und Unia-Mitglied Tamara Funiciello die Frauenmorde ernst nehmen, bietet SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann einen widersprüchlichen Auftritt.

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DIE BLICKE SAGEN ALLES: Frauenhaus-Geschäftsleiterin Silvia Vetsch (l.), SP-Nationalrätin Tamara Funiciello und das Publikum versuchen, den Ausführungen von SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann zu folgen. (Screenshot SRF)

Die aktuellen Zahlen sind schockierend: Im laufenden Jahr wurden 23 Frauen von ihrem Ehemann, Ex-Mann, Partner, Vater, Sohn oder anderen Männern in ihrem Umfeld ermordet. Der Grund: Sie waren Frauen. Weitere 9 versuchte Femizide zählt die Schweiz dieses Jahr, dabei ist erst September. Und die Fälle steigen deutlich: Bis August 2025 wurden in der Schweiz gleich viele Femizide begangen wie im gesamten letzten Jahr. Die letzten Opfer: eine 47jährige Frau sowie ihre 3jährige und ihre 10jährige Tochter.

Die Ermordung einer Frau hat in den meisten Fällen eine lange Vorgeschichte von häuslicher Gewalt. Der Femizid ist dabei die Spitze der Gewaltpyramide. Drohung, Gewalt, Erpressungen und Frauenhass sind der Nährboden dafür und fangen oftmals schon Jahre vorher an. Frauen können sich in solchen Fällen Hilfe holen, unter anderem sind Frauenhäuser eine Anlaufstelle. Im Jahr 2025 gab es bereits 666 Kontaktaufnahmen in den Frauenhäusern. Tendenz steigend. 
 
Auch das Haus SRF sieht die Dringlichkeit des Themas ein und stellt zum ersten Mal eine «Arena»-Sendung zum Thema Femizide auf die Beine. Die Gäste:

  • Tamara Funiciello, SP-Nationalrätin und Unia-Mitglied
  • Silvia Vetsch, Geschäftsleiterin Frauenhaus St. Gallen
  • Frank Urbaniok, Professor für Forensische Psychiatrie
  • Barbara Steinemann, SVP-Nationalrätin
  • Manuel Niederhäuser, Leiter Bedrohungs- und Risikomanagement Kantonspolizei St.Gallen

Gerade für Steinemann war der Auftritt eine holprige Angelegenheit. work zeigt die widersprüchlichsten Aussagen, die garantiert Kopfschütteln auslösen.

MIT WIDERSPRÜCHLICHEN AUSSAGEN: SVP-Frau Barbara Steinemann. (Screenshot SRF)

Die Kosten

Vor acht Jahren unterzeichnete die Schweiz die Istanbul-Konvention des Europarats. Dadurch ist sie verpflichtet, genügend Schutzplätze für Opfer von häuslicher Gewalt bereitzustellen. Doch acht Jahre später ist die Zahl der Plätze für Erwachsene noch immer ungenügend: Die Frauenhäuser haben nur einen Viertel der Kapazität dessen, was die Konvention verlangt. Doch für Steinemann ist dieses ungenügende Angebot bereits zu viel – oder genauer gesagt – zu teuer:

Sich über die Kosten zu beklagen ist ein billiges Argument. Tatsache ist: Viele Frauen flüchten in lebensbedrohlichen Situationen mit Kindern in die Frauenhäuser. Das hat seinen Preis, denn für schutzbedürftige Kinder fehlen Plätze (work berichtete). Eine Studie des eidgenössischen Gleichstellungsbüros stellte 2022 fest:

Es braucht in der Schweiz «mindestens 10 bis maximal 40» zusätzliche Schutzplätze für Mädchen und junge Frauen, also 2 bis 6 neue Unterkünfte. Zurzeit gibt es nur in Zürich ein Mädchenhaus mit lediglich 7 Schutzplätzen. 

Die Notfallnummer

Ab Mai 2026 wird die Notrufnummer 142 in Betrieb genommen. Diese Nummer dient Opfern von häuslicher Gewalt. Im Parlament waren die Parteien geschlossen dafür, diese Notrufnummer einzuführen. Ausser die SVP. Steinemanns Argument für die Ablehnung:

Die Hürde, sich bei der Polizei zu melden, sei sehr hoch, sagt die Chefin des St. Galler Frauenhauses Silvia Vetsch: «Das Thema ist sehr schuld- und schambehaftet. Sie reden jetzt oft von Migration. Aber es ist kein Migrationsproblem, es ist ein Problem von patriarchalen Strukturen.» Als Beispiel nennt Vetsch den ehemaligen Armeechef Pascal Nef, der 2008 wegen Stalkings verurteilt wurde. 

Das «Ausländer-Problem»

Durch die gesamte Sendung hindurch versucht SVP-Nationalrätin Steinemann, die Schuldigen zu benennen. Bereits in der ersten Minute der «Arena» fällt ihr Urteil: Die Migranten sind schuld an den Femiziden.

Opferberaterin Vetsch zeigt auf, wie vielschichtig die Eintritte in den Frauenhäusern sind. Dass Schweizer Frauen weniger betroffen sind und sich weniger Hilfe im Frauenhaus suchen, ist laut Vetsch nicht der Fall. Schweizerinnen haben oftmals ein besseres Netzwerk, mehr Wissen über ihre Rechte und können die Sprache. Für Frauen mit Migrationshintergrund sind das alles Hürden, welche die Flucht vor gewaltvollen Beziehungen erschweren können. 

Der Widerspruch

Zuerst beklagt sich Steinemann über die hohen Kosten der Frauenhäuser. Als ihr dann das spanische Modell vorgestellt wird, das erfolgreich die Fälle von Femiziden im Land minimieren konnte, ändert die SVP-Frau ihre Meinung:

Widersprüchlich und unlogisch. Steinemann sagt es richtig: Menschenleben dürfen in diesem Land nicht zu teuer sein. Diesem Satz ein Aber anzufügen zeigt, wie tief die rechten Politikerinnen und Politiker die Sicherheit und schliesslich das Leben der gewaltbetroffenen Frauen in diesem Land priorisieren.

Kamera und Schnitt: Julia Neukomm

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