Das offene Ohr
Überstunden: Wie lange kann ich diese geltend machen?

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Marina Wyss von der Unia-Rechtsabteilung beantwortet Fragen aus der Arbeitswelt.

In den letzten 4 Jahren habe ich bei einer Firma gearbeitet, die personell unterbesetzt war. Die verbleibenden Mitarbeitenden haben mehr als die vereinbarte ­wöchentliche Arbeitszeit geleistet. Auch ich habe Überstunden geleistet und ­meine Vorgesetzte jeweils wöchentlich per ­E-Mail über die Anzahl der Überstunden informiert. Nun habe ich gekündigt und von der Arbeitgeberin die Ausbezahlung der Überstunden verlangt. Diese antwortete mir, ich könne die Ausbezahlung der Überstunden nicht mehr verlangen, weil ich diese erst zum Zeitpunkt der Kündigung geltend gemacht hätte. Stimmt das?

ÜBERSTUNDEN SCHMELZEN NICHT EINFACH DAHIN: Ihr Anspruch auf Kompensation bleibt 5 Jahre bestehen. (Foto: Adobe Stock)

Marina Wyss: Nein, Ihr Anspruch ist ­einerseits noch nicht verjährt, denn ­arbeitsrechtliche Forderungen verjähren nach 5 Jahren (Art. 128 Ziff. 3 OR), und Sie haben nur 4 Jahre dort gearbeitet. Und anderseits ist Ihr Anspruch auch noch nicht verwirkt. Laut Bundesgericht haben Arbeitnehmende Überstunden, die ohne Wissen der Arbeitgeberin geleistet werden, innert nützlicher Frist der Arbeitgeberin mitzuteilen, so dass diese entweder Massnahmen zur Verhinderung von Mehrarbeit treffen oder die Überstunden genehmigen kann. Selbst wenn die Arbeitgeberin die Überstunden nicht ausdrücklich angeordnet hat, kann davon ausgegangen werden, dass die Überstunden stillschweigend genehmigt wurden, wenn die Arbeitgeberin von den Überstunden Kenntnis hatte. Entscheidend ist auch, dass die Überstunden für die Arbeitgeberin zur Wahrung der betrieblichen Interessen notwendig waren. Laut Gesetz sind Arbeitnehmende zur Leistung von Überstunden verpflichtet, wenn sie sie zu leisten vermögen und sie ihnen nach Treu und Glauben zugemutet werden können. In Ihrem Fall scheinen die Überstunden aufgrund personeller Unterbesetzung notwendig gewesen zu sein. Und Sie ­haben die Überstunden der Arbeitgeberin regelmässig per E-Mail gemeldet. Wir ­empfehlen, die Überstunden so rasch als möglich und schriftlich gegenüber der ­Arbeitgeberin zu dokumentieren.

Überstunden II: Auszahlung mit Zuschlag?

Weil ich ständig Überstunden leisten musste, habe ich mein Arbeitsverhältnis gekündigt. Ich habe der Arbeitgeberin ­gesagt, sie solle mir die Überstunden mit einem Zuschlag von 25 Prozent bezahlen. Meine Vorgesetzte sagt, dass ich keinen Anspruch auf Ausbezahlung der Überstunden hätte, weil es im Arbeitsvertrag­ ­heisse, dass die Kompensation von Überstunden ausschliesslich durch Freizeit von gleicher Dauer erfolge. Stimmt das?

Marina Wyss: Ja. Laut Art. 321 c Abs. 2 des Obligationenrechts (OR) kann die ­Arbeitgeberin im Einverständnis mit dem Arbeitnehmenden die Überstundenarbeit durch Freizeit ausgleichen. Wenn im ­Arbeitsvertrag dies so vereinbart wurde, also quasi das Einverständnis der Arbeitnehmenden vorliegt, müssen die Überstunden primär mit Freizeit kompensiert werden. Wurde nichts dergleichen im Arbeitsvertrag (oder im Normalarbeitsvertrag oder im Gesamtarbeitsvertrag) bestimmt, so hat die Arbeitgeberin für die Überstundenarbeit einen Zuschlag von mindestens 25 Prozent zu bezahlen (Art. 321 c Abs. 3 OR), so wie Sie das gefordert hatten.

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