Uhrenarbeiter packt aus
«Die Arbeitgeber machen Druck auf die Löhne»

Uhrenarbeiter Dario Danilo* (49) aus dem Kanton Neuenburg berichtet, was die Kurzarbeit und der Zoll-Wahnsinn für ihn bedeuten.

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IN KURZARBEIT: In der Uhrenindustrie herrscht Unsicherheit. (Foto: Keystone)

Ich bin bei einem Zulieferer für Luxusuhren im Kanton Neuenburg angestellt. Weil wir zu wenig Aufträge hatten, konnte ich ab Juli nicht mehr in der Nachtschicht arbeiten. Die Firma hat auch Dutzende Leute entlassen. Seit Anfang August sind alle Mitarbeitenden in Kurzarbeit, und in der zweiten Hälfte des Monats arbeiten wir lediglich halbtags. 

Wenn ich wegen der Kurzarbeit zu Hause bleiben muss, erhalte ich 80 Prozent meines Lohnes. Vom Unternehmen gibt es keine Kompensation für den Lohnausfall. Da meine Frau kein Einkommen hat, leben wir mit unseren beiden Kindern jetzt finanziell am untersten Limit.

Büezer haben Angst

Die Situation mit der Kurzarbeit macht den Leuten im Betrieb Angst. Immer am Ende des Monats befürchten wir weitere Entlassungen. Es gibt auch viele Gerüchte. Die 39 Prozent Zoll für die Exporte in die USA schaffen noch mehr Unsicherheit. Die Arbeitgeber machen Druck auf die Löhne und fordern die Erhöhung der Arbeitszeiten, was ich skandalös finde. 

Bei den Verhandlungen zum neuen MEM-GAV haben die Arbeitgeber das ja auch schon probiert. Ich befürchte, dass dieser Druck zur Erhöhung der Arbeitszeit jetzt auch in der Uhrenindustrie stärker wird. Wir müssen wachsam bleiben!

Bei der Unia bin ich seit 30 Jahren Mitglied und inzwischen auch Delegierter bei der Branchenkonferenz. Mit der Unia sind wir auch in Kontakt und sprechen über die neuen US-Zölle. Ich befürchte, dass die antigewerkschaftliche Stimmung von den Chefs in den Betrieben stärker werden wird. Wir haben das Problem, dass wir als Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen immer noch nicht ausreichend gegen Entlassungen geschützt sind. Bei meinem früheren Arbeitgeber, der Swatch Group, hat man mich aus gewerkschaftsfeindlichen Gründen entlassen. Der Fall ist noch immer vor Gericht.

Viele schweigen

Kein Wunder, getrauen sich viele meiner Kollegen nicht, etwas Kritisches zu sagen. Es ist paradox: In der Zivilgesellschaft darf man alles sagen, aber in den Unternehmen ist es ganz anders, da herrscht eine Stimmung der Angst und des Schweigens. 

Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zum Erfolg von ‹Swiss made› beitragen, sollten einen umfassenden Kündigungsschutz erhalten. Das gilt besonders für uns Gewerkschafter, die Kolleginnen und Kollegen vertreten und verteidigen. Ich bin auch der Meinung, dass wir die Wiedereinstellung von zu Unrecht entlassenen Personen fordern und gesetzlich garantieren sollten. Denn ohne dieses Recht gibt es keine echte Sozialpartnerschaft.

(Aufgezeichnet: isc)

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