Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin

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Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin

US-Präsident Donald Trump könnte ein begnadeter Jasser sein (leider wissen wir es nicht). Zumindest hat er im «Differenzler» mit Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter gezeigt, was er draufhat. Bei dieser Jass-­Variante sagen alle Spielenden die Punktezahl an, die sie dann möglichst genau erreichen müssen. Keller-Sutter hat 10 (Prozent Zölle) angesagt, 39 gemacht, gibt eine Differenz von 29. Nicht gerade ein Glanzresultat, weder im Jass noch in der Politik.

Stöck

Beim Trumpf-Jass machen der Reihe nach die Spielenden jeweils eine Farbe zum Trumpf und bestimmen damit die höchsten Karten der Runde. Jass-König Trump sagt immer Trumpf an. Er dominiert, spielt rasch Bub, Nell und As, sticht mit den höchsten Karten der Schweiz die Trümpfe aus der Hand: ­Weder eine Senkung der Agrarzölle (die Indus­triezölle hat sie bereits 2024 freiwillig auf­gegeben), Milliarden­investitionen noch das Schweizer Berufsbildungsmodell mochten ihn um­zustimmen.

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Wenn Trump die Trümpfe ausgehen, zaubert er noch sieben Asse aus dem Ärmel: etwas tiefere Zölle hier, etwas höhere dort, etwas mehr auf der Pharma, etwas weniger auf dem Gold, heute hier, morgen dort. Ein Spiel ganz nach seinen Regeln, ohne Rücksicht auf Parlament oder Justiz, überhaupt ohne lästige Demokratie.

Stich

Kein Wunder, ist und bleibt Trump für die SVP-Oberen der Herzbub. Zur Partei, die sich gerne volksnah gibt, passt eine hemds­ärmelige Jass-Runde. Endlich sagt mal einer klipp und klar, was Trumpf ist! Statt Trump kritisieren sie lieber das Aussendepartement, weil es sich für eine Zweistaatenlösung im Israel-Palästina-Konflikt ausgesprochen hat. «Das hat Trump verärgert» (SVP-Präsident Marcel Dettling). Und Verteidigungsminister Martin Pfister wollte nur noch 10 Prozent der Rüstungsgüter in den USA einkaufen, irgendwie verständlich nach dem F-35-Desaster, das jetzt um eine Milliarde teurer werden könnte als versprochen. Doch: «Auch das geht nicht spurlos an Trump vorbei» (ebenfalls Dettling). Einen ganz kreativen Spielzug machte Franz Grüter (natürlich SVP), indem er Justizminister Beat Jans unterstellte, er habe zusammen mit Aussenminister Ignazio Cassis die Verhandlungen mit den USA ausgebremst, um dem Vertrag mit der EU zum Durchbruch zu verhelfen.

Für die Büezerinnen und Büezer wählen die Wirtschaftsoberen (Economiesuisse, Gewerbeverband, Swissmem usw.) eher eine Misère. In dieser Jass-Variante gehören die Punkte dem Gegner. Sie wittern eine Chance – Trump sei Dank –, endlich mit der «Deregulierung» zu trumpfen. Auf dem Spiel stehen nichts weniger als die Mindestlöhne, die Arbeitszeitregulierungen, die Gesamtarbeitsverträge. Die SVP wiederum ist sogar gegen eine Verlängerung der Kurzarbeit in den von den Zöllen betroffenen Branchen. Weil es ja Fachkräftemangel gibt und diese Fachleute doch einfach in einem anderen Unternehmen arbeiten könnten, so SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi. Könnte es sein, dass auch in der SVP-Führungsetage ein Mangel an Fachkräften herrscht? Denn Aeschis Vorschlag ist nicht mal mehr Jass à la Trump, sondern reiner Poker.

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