Krach auf dem Luganersee
Kommt es im Tessin zum Matrosenaufstand?

Die Schifffahrtsgesellschaft des Luganersees hat den GAV gekündigt, die Gewerkschaften ausgeschlossen und vier kritische Mitarbeiter entlassen. Zudem fällt der SNL-Präsident mit brisanten Doppelmandaten auf. Jetzt interveniert die Politik – und ein Prozess steht an.

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SCHIFFFAHRT AUF DEM LAGO DIE LUGANO: Der Umgang mit den Mitarbeitenden schlägt hohe Wellen. (Foto: lakelugano.ch)

Stürmische Zeiten auf dem Lago di Lugano! Schon im letzten Jahr wurde den rund 100 Beschäftigten der Schifffahrtsgesellschaft des Luganersees (SNL) der 13. Monatslohn verweigert. Und im April hat die SNL nun auch noch einseitig den Gesamtarbeitsvertrag (GAV) gekündigt. Diesen hatte sie zuvor jahrelang mit den Gewerkschaften SEV, Unia und OCST unterhalten. Doch kurz nach dem GAV-Aus zauberte die SNL einen neuen und schlechteren Vertrag aus dem Hut – unterzeichnet von der Vereinigung des Personals im See- und Landverkehr des Tessins (APTLT). Diese vertritt angeblich rund 90 der gut 100 Angestellten. Die Gewerkschaften halten den neuen Vertrag trotzdem nicht für legitim, geschweige denn für einen echten GAV.

Angelo Stroppini vom SEV erklärte damals:

Soweit wir wissen, wurde dieses Dokument etwas übereilt von den beiden Mitgliedern der Personalkommission unterzeichnet, aber zuvor nicht der Belegschaft zur Abstimmung vorgelegt.

So was gehe gar nicht, zumal der Kanton ein wichtiger Minderheitsaktionär der SNL sei. Ausserdem handle es sich bei der APTLT nicht um eine vom Arbeitgeber ausreichend unabhängige Angestelltenvertretung. SNL-Direktor Simone Bianchi widersprach: «Es ist eine echte Gewerkschaft, die anerkannt ist, wir haben ein Gutachten erstellt.» Im Mai tauchte schliesslich ein anonymer Brief auf, der die Lage noch zuspitze.

«Katastrophales» PK-Management – durch Firma von SNL-Präsi!

Im Schreiben erhoben Mitarbeitende schwere Vorwürfe an die SNL. Die Arbeitsbedingungen seien ungenügend, die Gewerkschaften würden schlechtgeredet, und es herrsche ein Klima der Angst. Auch der Zustand der Pensionskasse wurde kritisiert. Ihre Deckung sei in den Jahren 2022 und 2023 unter 100 Prozent gefallen.

Der SEV bestätigt die Probleme: Das Negativergebnis sei ausgerechnet in dem Jahr erfolgt, in dem der Pensionsfonds von der bisherigen Kasse Symova an eine Treuhandgesellschaft überging, die Copernicus Wealth Management. Der SEV schreibt:

Die Verwaltung des Vermögens der Mitarbeitenden durch Copernicus erwies sich als katastrophal, mit Renditen, die zu den schlechtesten in der Schweiz gehörten und um 13 Prozent unter denen von Symova lagen. Darüber hinaus waren die Verwaltungskosten fünfmal höher als bei Symova, was zu erheblichen finanziellen Verlusten für die Mitarbeitenden führte.

Besonders brisant: Die Copernicus Wealth Management ist eine Tochtergesellschaft der Copernicus Holding. Ihr Präsident ist der umtriebige Tessiner Geschäftsmann Agostino Ferrazzini. Der Präsident der Schifffahrtsgesellschaft ist: ebenfalls Agostino Ferrazzini! «Das wirft eine ganze Reihe von Fragen im Zusammenhang mit Interessenkonflikten auf», sagt dazu Gewerkschafter Stroppini.

SNL zieht Gewerkschaften vor Richter

Das Klima wurde abermals rauer. Die SNL warf den Gewerkschaften plötzlich «wiederholte Verstösse gegen Vertragsklauseln zum Arbeitsfrieden» vor. Jene wiederum gelangten mit einer Beschwerde an das Bundesamt für Verkehr (BAV). Und Ende Juni intervenierte auch noch die Tessiner Regierung. Sie äusserte sich «besorgt über die anhaltenden Spannungen mit den Gewerkschaften» und bestellte die SNL-Führung kurzerhand zu einer Krisensitzung. Gebracht scheint es nichts zu haben. Denn wenig später zeigte die SNL die Gewerkschaften sogar an. Sie hätten mit dem Gang an die Medien den Ruf des Unternehmens beschädigt, so der Vorwurf. Am 26. August kommt es zur Verhandlung am Bezirksgericht Lugano. Für Unia-Sekretärin Chiara Landi ist dies «ein weiterer verzweifelter Versuch, uns zum Schweigen zu bringen und ein bewusster Angriff auf die Gewerkschaftsfreiheit». Doch Ende Juli kam es noch dicker.

Finanzierungsstop gefordert

Die SNL schickte vier Mitarbeitenden die Kündigung, angeblich wegen nötiger «Restrukturierungsmassnahmen». Das lassen die Gewerkschaften nicht gelten. Denn bei den Betroffenen handle es sich just um solche Mitarbeitende, die sich gegenüber der SNL kritisch geäussert hätten und den Gewerkschaften nahegestanden seien. Mit einer Kundgebung vor dem SNL-Sitz protestierten SEV, OCST und die Unia gegen die antigewerkschaftlichen Kündigungen. Und von der Politik fordern sie, die Finanzierung der SNL einzustellen, solange sich die Direktion weigert, mit den Gewerkschaften zu verhandeln.

Petition jetzt unterschreiben

Nein zur Entlassung der Gewerkschaftsdelegierten bei der SNL. Unter diesem Titel haben die Gewerkschaften eine Petition lanciert. Unterschreiben können Sie über diesen Link.

Jetzt beschäftigt der Konflikt auch das Kantonsparlament. Vertreter von SP und Mitte haben eine dringliche Anfrage eingereicht und die Regierung aufgefordert, den Umstrukturierungsplan der seit Jahren kriselnden SNL auszusetzen. Und zwar so lange, bis geklärt ist, ob die Entlassungen tatsächlich gewerkschaftsfeindlich motiviert waren.

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