An Europas Spitze
Warum die Unia auf dem Bau so stark ist

Der Schweizer Bau gehört zu den Gewerkschaftshochburgen in Europa. Das hat strukturelle Gründe, aber nicht nur.

BAUEXPERTE: Unia-Mann Chris Kelley. (Foto: Manu Friederich)

Rente mit 60 und teils stolze Löhne – die Bedingungen im Bauhauptgewerbe sind deutlich besser als in verwandten Branchen. Das ist kein Zufall. Gut 70 Prozent der Bauleute sind Gewerkschaftsmitglieder. Und als einzige Berufsgruppe der Schweiz beweisen sie regelmässig, dass sie auch streiken können. Doch woher kommt diese Beweglichkeit? Das habe viele Gründe, sagt Chris Kelley, Unia-Co-Leiter Bau. «Bauleute arbeiten in Equipen und wissen schon deshalb, was Solidarität heisst.» Diese Bedingungen sind europaweit identisch. Doch die Stärken der Baugewerkschaften unterscheiden sich massiv. In Deutschland, wo es seit 1945 erst zwei Baustreiks gab, beträgt der Organisationsgrad nur 20 bis 40 Prozent. Die zuständige IG BAU hat es bisher verpasst, auch unter Eingewanderten Fuss zu fassen.

Rare Profis

Besonders schwach aufgestellt ist Frankreich. Das bestätigt Geneviève Kalina, die Europachefin der Bau- und Holzarbeiterinternationale (BHI). Die Französin sagt: «Vielen Gewerkschaften fehlt es an Personal.» Besonders rar seien Profis, die die Bausprachen beherrschten. Und dann die Finanzen: «In Portugal habe ich Sekretäre mit uralten Computern gesehen und es gibt kaum Mittel, um die Regionen abzudecken.» Auch im Osten Europas seien die Strukturen fragil. In Österreich gebe es zwar viele Organisierte, aber kaum eine Konfliktdynamik. In Italien und Belgien dagegen seien die Syndikate sehr aktiv. Ebenso in den nordischen Ländern, wo die Verbände ähnlich gut organisiert seien wie in der Schweiz. Aber: In Skandinavien werden die Arbeitslosenversicherungen nicht vom Staat sondern von den Gewerkschaften verwaltet. Das begünstigt eine Mitgliedschaft.

Was also noch steckt hinter dem Schweizer Sonderfall? Für Chris Kelley sind zwei Faktoren entscheidend: «Ein einziger GAV, der landesweit verbindlich ist!» Und: «Für uns war immer klar, dass wir neue Branchen erobern, aber dafür nicht unsere Hochburgen aufs Spiel setzen, sondern sie als solidarische Triebfedern nutzen.»

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