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Service public: Mehr Staat ist oft effizienter als mehr Privat

Politik ist immer auch ­Geographie. Das zeigt jetzt auch der Bergsturz von Blatten im Walliser Lötschental. Denn Blatten liegt in einem von sieben Schweizer Kantonen, die keine staatliche Gebäudeversicherung haben. Mit teuren Folgen.

BLATTEN BEGRABEN: Das Wallis gehört zu den Kantonen, in denen es keine kantonale Gebäudeversicherung gibt. (Foto: Keystone)

Der auftauende Permafrost hat das Dorf Blatten im Lötschental weit­gehend zerstört. Und Kandersteg im Berner Oberland droht nächstens das gleiche Klimaschicksal. Mit dem Unterschied, dass in Kandersteg alle Gebäude zum Neuwert versichert sind. Während es in Blatten nur ein Teil der Gebäude ist.

Nicht genug

In Blatten sind die Versicherungsprämien doppelt so hoch wie in Kandersteg. Und die bernische Gebäudeversicherung investiert mehr als 50 Prozent ihrer Einnahmen in die Prävention von Gebäudeschäden. Ganz anders die privaten Versicherungen im Gustavo-Kanton Wallis: Sie investieren keinen roten Rappen.

Der Name Gustavo bildet sich aus den Anfangsbuchstaben der Kantone, die keine kantonale Gebäudeversicherung haben: Genf, Uri, Schwyz, Tessin, Appenzell Innerrhoden, Valais und Obwalden. Dort haben sich die privaten Versicherungen mit ihren Agenten bisher durchgesetzt.
Das ist alles nichts Neues unter der Sonne: SP-Mann Rudolf Strahm kritisiert die privaten Versicherer, die mit der zweiten Säule unnötigerweise Hunderte von Millionen verdienen und so unsere Renten kürzen, zu Recht immer wieder. Wir können nur hoffen, dass die Magazine «K-Tipp» und «Saldo» diesen Skandal bis in die letzte Ritze ausleuchten!

Staatlich statt privat

In den letzten Jahrzehnten haben die Walliser Linken immer wieder eine staatliche Gebäudeversicherung gefordert. Eine solche hätte auch alle Unia-Mitglieder, die in den eigenen vier Wänden wohnen, um einige Hundert Franken pro Jahr entlastet.

Und sie käme jetzt auch in Blatten zum Zug. Doch stattdessen fordern die rechten Walliser Frechdachs-Politiker, die eine staatliche Versicherung immer verhindert haben, alle Schweizerinnen und Schweizer auf, für die Glückskette zu spenden.

In Blatten gibt es 360 Wohneinheiten, davon gehören 240 Zweitwohnungen vorab städtischen Eigentümerinnen und Eigentümern. Spenden­gelder sind also für Bonzenhüsli. Vielleicht müsste die Politik festlegen, dass diese durch die Versicherungen der Heimatkantone ihrer Besitzerinnen und Besitzer versichert werden.

Auch die Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone machte letztes Jahr Winterferien in Blatten. Jetzt fordert sie, dass der Bund weniger Geld für die Autobahnen ausgibt und stattdessen den Wiederaufbau von Blatten finanziert. Das ist nicht falsch, aber ungenügend: Denn SP und Grüne müssten fordern, dass es bis spätestens in fünf Jahren für Kantone, die bis dann keine obligatorische Gebäudeversicherung eingeführt haben, keine finanziellen Unterstützungen mehr geben wird. Schlicht und einfach, weil Steuerzahler nicht da sind, um private Versicherungsgesellschaften und deren Aktionariat zu mästen. Und umso mehr, als Grünen-Chefin Mazzoni aus Genf kommt und der Kanton Genf ebenfalls ein Gustavo-Kanton ist!

Und auch die Stiftungsrätinnen und Stiftungsräte der Glückskette sollten entscheiden, dass jene Kantone, die keine obligatorische Gebäudeversicherung einführen, nichts mehr von ihr bekommen. Vermutlich müssten die bequemen Damen und Herren im Glückskette-Stiftungsrat zur Jagd getragen werden, sonst machen die weiter wie schon im Fall Gondo: Alternative Standorte wurden nicht geprüft, und dem Hotel Stock­alperturm fehlen 30 Zimmer zum Überleben.

Und irgendwann könnte dann das Lötschentaler Talmuseum eine Ausstellung zum Thema «Klima und Service public» machen. Zusammen mit Rudolf Strahm und Politgeograph Michael Hermann!

Links zum Thema:

  • rebrand.ly/entwicklungshilfe Die SVP will die Entwicklungshilfe für Afrika zusammenstreichen, um den privaten Versicherungen und ihren Aktionären zu helfen. Motto: gegen unten treten und gegen oben buckeln! Das kommt so lange gut an, wie niemand die wahren Probleme beim Namen nennt.
  • rebrand.ly/us-zölle Viele Arbeiter des Lötschentals arbeiten in den Alu-Fabriken von Steg und Chippis. Hier wird Aluminium wiederverwertet und gepresst. Über Nacht hat US-Präsident Donald Trump die Zölle für Stahl und Aluminium von 25 Prozent auf 50 Prozent erhöht. Diese Kostenlawine gefährdet Arbeitsplätze. Trotzdem steht die Spitze der SVP noch hinter Trump.
  • chatgpt.com Die künstliche Intelligenz glaubt zu wissen: «In der marxistischen Theorie werden Versicherungen in der Regel den Produktions­verhältnissen zugeordnet. Sie sind Teil der gesellschaftlichen Strukturen, die die Produktion und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen regeln, und beeinflussen somit die ökonomischen Beziehungen innerhalb einer Gesellschaft.»

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