Laura Gonzalez Martinez ist Verkäuferin in Zürich und Gewerkschafterin.

Ich fuhr an meinem freien Wochentag mit dem Zug zu meinen Eltern. Meist habe ich meinen Laptop dabei, um zu arbeiten oder die Zeitung zu lesen. An diesem Tag war das Abteil fast leer. Kurz nach der Abfahrt kam der Zugbegleiter, um die Billette zu kontrollieren. Dabei bemerkte der Zugbegleiter süffisant, hier in diesem Abteil herrsche die Apartheid. Ich zitiere: «Die Schwarzen auf der einen Seite und die Weissen auf der anderen.» Der Mann neben mir war sichtlich genervt, lächelte aber schwach und nahm wieder seine Airpods. Und ich? Ich war fassungslos. Und sagte: «Das sehen auch nur Sie!» Das sei nicht wertend, aber auffällig, war die Antwort des Zugbegleiters und er ging weiter.

Beschwerde

Ich war so wütend und schockiert, dass Weiterarbeiten kein Thema mehr war. Stattdessen schrieb ich eine Beschwerde an die SBB. Ich schilderte die Situation und schrieb: «Ich erwarte, dass die SBB das Personal sensibilisieren und solche Aussagen nicht dulden, weder zu Fahrgästen noch untereinander.» Ich hatte einen Artikel der work-Zeitung noch gut in Erinnerung: eine Umfrage über sexuelle Belästigung und Diskriminierung bei den SBB. In den vergangenen zwei Jahren haben zwölf Prozent der Befragten am Arbeitsplatz Diskriminierung erlebt, sieben Prozent Mobbing, und vier Prozent berichten von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz (zum Artikel). Die Antwort der SBB damals: Bei 35 000 Mitarbeiterinnen seien die Zahlen noch im Durchschnitt, in «einem guten Rahmen». Finde ich nicht. Jeder Spruch, jede Tat und jeder Vorfall ist einer zu viel.

Hinsehen

Nach zwei Tagen bekam ich eine Antwort des SBB-Beschwerde­managments. Die SBB würden solche Rückmeldungen ernst nehmen und sie intern besprechen. Das will ich doch hoffen! Wenn nach aussen hin schon solche Sprüche fallen, wie sieht es intern aus? Es geht mir nicht darum, diesen Zugbegleiter runterzuputzen. Aber ich will auf solche Vorfälle hinweisen und nicht wegsehen. Die Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB) berichtet, dass 17 Prozent der Wohnbevölkerung in den letzten fünf Jahren rassistische Diskriminierung erfahren hätten. Das ist beinahe jede sechste Person, die in der Schweiz lebt, oder entspricht 1,2 Millionen Menschen zwischen 15 und 88 Jahren. Das ist sehr schlimm und nicht zum Witzereissen.

Illu: Laura Gonzalez Martinez

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