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Gornerli: Niemand darf einen Gletscher unter Wasser setzen

Irgendetwas stimmt nicht mit dem ökologischen Umbau der Schweiz. Vieles davon hat mit staatlichem Unvermögen und Geheimnistuerei zu tun. Bestes Beispiel ist der geplante Stausee Gornerli oberhalb von Zermatt.

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VISUALISIERUNG: So sieht die geplante, 85 Meter hohe Staumauer «Gornerli» aus. (Foto: PD)

Er war das wichtigste Projekt des runden Tisches der damaligen Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Vor Erscheinen dieser work-Ausgabe wird voraussichtlich auch die «Rundschau» von SRF über diesen Stausee Gornerli oberhalb von Zermatt berichten. Alles musste seinerzeit im Geheimen husch, husch über die Bühne gehen. Und jetzt stellt sich heraus, so wie die Sache angedacht und geplant war, geht sie gar nicht.

Auf dem Papier sieht alles einfach aus: Mit einem nur 300 Millionen Franken teuren Staudamm sollen 200 Millionen Kilowattstunden mehr Strom produziert werden können. Und zusätzlich sollen 400 Millionen Kilowattstunden Sommerstrom in Winterstrom verwandelt werden. Dafür müsste man drei Kilometer des Gornergletschers unter Wasser setzen, damit dieser schneller schmilzt.

Das ist eine Sache, die auf der ganzen Welt noch niemand zu machen gewagt hat. Und vor der uns der Gletscherforscher und emeritierte Geographieprofessor der Uni Zürich, Wilfried Häberli, eindringlich warnt. Unter Wasser gesetzte Gletscher sind tickende Zeitbomben! Viele mögen einwenden, der Gletscher schmelze ja so oder so. Das ist denkbar und wahrscheinlich zugleich. Aber sicher kann niemand sein. Und spätestens seit dem Gletscher- und Felssturz von Blatten VS müssen wir sehr vorsichtig sein.

Gigantische Wassermassen

Die Umweltorganisationen und ihre Expertinnen und Experten schlagen jetzt vor, vorerst nur einen kleinen Erddamm zu errichten. Verbunden mit der Möglichkeit, später einen grösseren Erddamm nachzuschieben. Auch dieses Projekt hat Haken, weil es in Sachen Hochwasserschutz nur ein Rückhaltevolumen von 2,5 Millionen Kubikmetern vorsieht.

DER GORNERGLETSCHER IM (KLIMA)WANDEL: In den kommenden Jahren beginnt sich ein natürlicher See zu bilden. (ILLUSTRATION: grande-dixence.ch)

Der Permafrost war bisher der Leim der Alpen. Der Klimawandel lässt ihn auftauen. Immer weitere Gebiete der Alpen werden bedroht. Unter anderem die Zufahrt auf Strasse und Schiene nach Zermatt.

Neu können und werden sich Gewitterzellen bilden, die sich wenig bis nicht bewegen und in kürzester Zeit bisher unvorstellbare Wasser­massen vom Himmel regnen lassen. Die Berechnungen und Schutzbauten von gestern sind deshalb leider überholt. Bestes Beispiel: als in Brig der Fluss Saltina über die Ufer trat. Phase 1: 1993 wurde Brig überschwemmt. Von 70 Kubikmetern Wasser pro Sekunde. Phase 2: Der Lauf der Saltina wurde nach 1993 korrigiert: Das Geschiebe lagert sich nun in vorgelagerten Flächen ab. Das Gefälle verläuft neu gleichmässig. Und Brücken können angehoben werden. Neu kann die Saltina 170 Kubikmeter Wasser in der Sekunde schlucken. Sensationell gut! Phase 3: Aber heute müsste die Saltina 240 Kubikmeter Wasser pro Sekunde schlucken können. Nämlich immer dann, wenn sich eine Gewitterzelle im Bereich Simplon Nord festkrallt. Was also tun? Niemand weiss es.

Investitionen

Im Alpenraum muss ganz gewaltig nachgedacht und dann investiert werden. Auch in Zermatt. Mein Ansatz, der bisher nur sehr beschränkt auf Zustimmung stösst:

  • Die Gemeinden des Mattertals – ­allen voran Zermatt – müssen die Staumauer als erdbebensicheren und gut integrierten Erddamm erstellen lassen.
  • Hinter den sanft ansteigenden Weiden darf in Etappen nur so viel Wasser gestaut werden, dass kein Gletscher eingestaut wird.
  • Der Hochwasserschutz von Zermatt kann und muss so von Beginn weg gesichert werden. Auch dank einem neuen Stollensystem.
  • Der Bund muss den Gemeinden, falls überhaupt notwendig, Nullzinskredite geben, damit sie den Staudamm selber bauen können. So wäre auch das Problem des Heimfalls 2045 schon gelöst.

All das ist für die meisten noch viel zu kompliziert. Der Zermatter Gemeinderat ist wenig kompetent. Die zuständige Staatsrätin (eine Zermatterin) hat noch keinen Überblick. Die Opposition gegen das offizielle Projekt stochert noch im Nebel herum. Und die Medien sind nicht eben hilfreich.

Politik ist das Bohren dicker Bretter: Aber das darf nicht im Dunkeln und hinter den Kulissen erfolgen!

Links zum Thema:

  • rebrand.ly/rösti-bremst Die «Rundschau» von SRF brachte am 15. Oktober einen Beitrag, der aufzeigte, wie Bundesrat Albert Rösti versucht, Elektrolastwagen auszubremsen. Wie mir meine Zermatter Hotelierfreunde berichten, will die Rundschau voraussichtlich am 22. Oktober (also nach Redaktionsschluss und vor dem Erscheinen dieser Zeitung) einen Bericht über das Gornerli bringen. Das Thema nimmt Fahrt auf!

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