Weltklimakonferenz in Brasilien
Die Stunde der Klimakiller-Konzerne

Schaffen es China, Brasilien und ein paar Willige an der Klimakonferenz in Belém, eine Koalition gegen die USA auf die Beine zu stellen? 

Beitrag vorlesen lassen.
0:00 / 6:52
ÖL IST HOCH IM KURS: Statt in Alternativenergien investieren die USA und Klimakiller-Konzerne wieder in Ölraffinerien. (Foto: Adobe Stock)

Man mag es nicht mehr hören, das Gerede von der Weltklimakonferenz der «letzten Chance». 2015 hatten sich 184 Nationen in Paris darauf geeinigt, die Überhitzung der Erde durch die fossile Wirtschaft auf 1,5 Grad zu begrenzen – weil alles andere verheerend wäre. 

Der Ausstieg aus dem fossilen Kapitalismus ist seither das Überlebensprojekt der Menschheit. Etliche Palaver folgten. 2024 aber wurde die 1,5-Grad-Marke überschritten. Jetzt geht die Rede von 2,8 Grad und mehr. Weite Teile der Erde wären dann aber unbewohnbar, mit Folgen wie Hunger, Massenflucht, Verwüstung, Krieg. Das befeuert die Ökoangst, eine neue psychiatrische Epidemie. Aber auch den Widerstand der -Gesellschaften. Doch nie wurde so viel Öl, Kohle, Gas verfeuert wie heute, zehn Jahre nach Paris. Nie waren die Investitionen der Banken, Konzerne und Finanzfonds in die Kohlenstoffe höher als 2024. 

Der Elefant im Raum

Alle Fakten liegen auf dem Tisch, konstatiert der Brasilianer André Corrêa do Lago. Er leitet die COP 30, die bis zum 21. November in Belém, dem karibischen Tor zum Amazonas, stattfindet. Heute gehe es nicht mehr darum, einen Befund zu diskutieren, sagt Corrêa do Lago, sondern darum, «verbindliche, klare Schritte zu tun». Die das Unheil doch noch abwenden.

Nur, während schon 250 Millionen Menschen auf der Flucht vor Klimaereignissen sind, die Welt brennt, Orkane toben, die Wasser steigen und ganze Ökosysteme kippen, bellte US-Präsident Donald Trump von der Tribüne der Vereinten Nationen:

Die angebliche Klimakrise ist der grösste Beschiss aller Zeiten… Wenn ihr diesen grünen Schwindel nicht ablehnt, geht euer Land unter.

Das war als Drohung gemeint. Das US-Regime begnügt sich nicht damit, seine Klimaforscher zu entlassen, Umweltvorschriften zu kippen, Windparks zu zerstören, Naturschutzgebiete für Bohrungen freizugeben (Trump: «Drill, baby, drill!») und internationale Klimabemühungen wie die COP 30 zu boykottieren. Auch die anderen Länder sollen daran gehindert werden, etwas für ihren klimatischen Umbau zu tun. 

So lag im Oktober nach jahrelangen Verhandlungen etwa ein globales Abkommen über Containerschiffe bereit. Trump drohte mit Strafzöllen und Sanktionen gegen die Verhandler und mit dem Verbot für umweltfreundliche Frachter, US-Häfen anzulaufen. Eine beteiligte europäische Ministerin spricht von «harten, persönlichen Einschüchterungen». Jetzt ist das Abkommen tot.

Tausende Lobbyisten

In Belém wird keine US-Regierungsdelegation auftreten, aber Hunderte von inoffiziellen US-Agenten haben begonnen, die COP 30 aufzumischen. Neben schätzungsweise 3000 Öl-, Gas- und Kohle-Lobbyisten. Plus die vielen Lobby-Leute in den offiziellen Delegationen (in der Schweizer Delegation: eine Vertreterin des Agrochemie-Multis Syngenta). 

Wer die Politik der USA der irren Psyche des Präsidenten zuschreibt, verpasst das Wesentliche. Knapp gefasst:

Natürlich erkennen Trump und seine Entourage die Mechanik der Überhitzung. Doch Ökologie und der verschärfte Kapitalismus gehen nicht zusammen, sagen sie. Vor der Wahl zwischen Profit und dem Überleben der Menschheit wählen sie den Profit. Solange es irgendwie geht.

Das spiegelt exakt die Bedürfnisse des Kapitals. Die Ölbohrer Exxon und Shell wissen seit den späten 1960er Jahren, dass sie das Klima bis zur Apokalypse aufheizen. Sie haben ihre Macht genutzt, um dieses Wissen zu verbergen, dann zu bestreiten und schliesslich in einen Vorteil zu wenden: Ab 2000 wurden sie zu den Champions erneuerbarer Energien. Die britische Regierung übertrug ihre Energiepolitik an BP und Shell, die französische ganz an Total. Doch der feuchte Traum vom Klima-Kapitalismus funktionierte nur im staatskapitalistischen China. Inzwischen ist Sonnenstrom der billigste Strom, aber er wirft kapitalistisch zu wenig Rendite ab.

Seit 2020 liquidieren also etwa BP und Total ihre Investitionen in die Alternativenergien. Jetzt gilt dort: Öl ist alles. Dasselbe in der Finanz: 2017 verschickte der Boss des weltgrössten Finanzfonds Black Rock (12'500 Milliarden) einen Newsletter: Alles in grüne Fonds. Sechs Jahre später rudert er zurück: zu wenig rentabel. Rechtsum ins Öl, in Rüstung und KI.

Drei Herausforderungen

So wird deutlich, dass die Herausforderung in Belém darin besteht, eine globale Klima-Koalition gegen die USA und die Klimakiller-Konzerne auf die Beine zu stellen. Das kann nur gelingen, wenn China und die anderen Willigen mindestens 1300 Milliarden Dollar auftreiben, um den Ländern des globalen Südens den Verzicht auf Öl, Kohle und Gas zu ermöglichen. Warum? Brasiliens progressiver Präsident Lula da Silva hat kurz vor der Konferenz neue Ölbohrungen im Amazonas zugelassen. Ein grober Widerspruch. Doch Lula braucht das Geld, um die Armut im Land zu besiegen. Sonst kommt die extreme Rechte zurück – und die will den Amazonas, Lunge der Welt, abholzen. 

Und was ist mit der EU? Die schleicht unter den Hammerschlägen der extremen Rechten gerade von den Klimazielen weg. Rüstung geht vor. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hielt in Belém wie immer eine bombastische Rede gegen «die Propheten des Chaos» (Trump) – zu Hause aber unterdrückt er die Klimabewegung mit extremer Brutalität.

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.