Der «Deal» mit Trump
Die Oligarchen übernehmen

In der Schweiz haben sich viele die Augen gerieben, als sie «unsere Repräsentanten» im Weissen Haus sahen, die US-Präsident Donald Trump mit Golduhren und Goldbarren huldigten. Die Schweiz – ein Land von Oligarchen?

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DER BÜCKLING DER SCHWEIZER GROSSKAPITALISTEN VOR DONALD TRUMP: Dieses viel publizierte Foto wurde nicht von einem Medium verbreitet, sondern von einer PR-Stelle im Auftrag der Wirtschaftsunternehmen selbst. Die Oligarchen wollen damit allen zeigen: Wir haben das Zepter übernommen. Die Wirtschaftsvertreter, die vor Donald Trump sitzen, sind: (v.r.n.l.) Daniel Jaeggi, Gründer des Rohstoffhandelsunternehmens Mercuria, Alfred Gantner, Mitbesitzer von Partners Group, Johann Rupert, VR-Präsident des Luxusgüterkonzerns Richemont, Jean-Fréderic Dufour, CEO der Uhrenfirma Rolex und Marwan Shakarchi, Chef der Goldraffinerie MKS. (Foto: Partners Group)

Das Grosskapitalisten die erste Geige spielen, ist für die Schweiz nichts Neues. Zum Beispiel Alfred Escher (1819-1882): Er wurde reich durch ein Erbe, das aus dem Handel mit Amerika und den Kolonien stammte. Grosskapitalist wurde er als Eisenbahnbaron, Gründer der Kreditanstalt (später CS, heute UBS) und Mitbegründer der Rentenanstalt (Swisslife). 

Er war gleichzeitig Zürcher Kantonsrat, Regierungsrat und ab 1848 während 34 Jahren Nationalrat, mehrmals dessen Präsident (also «höchster Schweizer»). Alfred Escher war ein früher Oligarch der Finanz- und Eisenbahnwelt. Er legitimierte seine Machtfülle immer auch mit seiner Wahl durch das Volk. 

Sulzers Nazi-Geschäfte

Oder Hans Sulzer (1876-1959): Er erbte von seinen Vorfahren das Sulzer-Unternehmen in Winterthur. Während 42 Jahren war er Vorsitzender der Geschäftsleitung, respektive des Verwaltungsrats. Im 2. Weltkrieg machte er fleissig Geschäfte mit den Nazis, worauf ihn die Alliierten 1943/44 auf die schwarze Liste setzten. 

Er war einer der Mächtigen der Maschinenindustrie der 1930er bis 1950er Jahre. Aber er agierte nicht als einzelner Oligarch, sondern als Repräsentant der Schweizer Wirtschaftsorganisationen, des sogenannten Vororts. Von 1935 bis 1951 war er dessen Präsident. Der Vorort und seine Verbände operierten im korporatistischen Bund mit dem Staat. So war Sulzer während dem Krieg Präsident der eidgenössischen Kommission für Ein- und Ausfuhr. Der Bundesrat hat ihn mehrmals in Handelsmission ins Ausland geschickt.

Die grossen Abwesenden

Heute treten Grosskapitalisten aus Finanz, Rohstoffhandel und Uhrenindustrie als «Repräsentanten der Schweiz» im Oval Office, dem Büro des US-Präsidenten, auf. Sie hätten den Bundesrat über ihre «Verhandlungen» über die Zölle «informiert». Die Bedeutung ihres Treffens mit Donald Trump mindernd lassen sie verlauten, sie hätten nicht «über Details» gesprochen – das heisst eher über die grossen Linien. Parallel dazu führen Vertreter der Pharmamultis mit dem US-Staat Geheim-Verhandlungen über einen Deal für ihre Unternehmen. 

Interessanterweise repräsentieren die anwesenden Grosskapitalisten nur ihre eigenen Unternehmen. Die grossen Abwesenden sind nicht nur die Vertreterinnen und Vertreter des Bundes, sondern auch die Wirtschaftsverbände: Weder Economiesuisse (Nachfolgerin des Vororts) noch der Uhrenverband, noch Swissmem, noch Verband der Rohstoffhändler waren anwesend.

Jetzt haben die Oligarchen übernommen, ähnlich wie in den USA. Dort hatten die US-Oligarchen mit Trump einen weiteren Sprung nach oben in der Machtpyramide gemacht: Die Milliardäre der Tech-Industrie, des Ölbusiness, der Finanzspekulation. Sie haben Trump zur Wahl verholfen und stützen ihn nun, weil er ihnen die Steuern senkt und hinderliche Regulierungen schleift. 

Oligarchen treten aus dem Schatten

In der Schweiz treten nun Oligarchen hervor, welche Unternehmen der Finanzspekulation führen (Partners Group), des Rohstoffhandels (Mercuria), der Pharmaunternehmen (Roche und Novartis), der Luxus- und Uhrenindustrie (Richemont, ROLEX) und der Logistik (MSC). Viele von ihnen haben bloss einen kleinen Hauptsitz in der Schweiz, machen ihr Geld aber überall sonst auf dem Erdball. 

Erleben wir gerade eine weitere Schwächung der korporatistischen Verbindungen zwischen Unternehmen und Schweizer Staat? Schon länger zeichnete sich ab, dass die Multis gross genug sind, um eigenständig zu operieren. Oft und gerne haben sie aber mit den Verbänden operiert: Wenn es darum ging günstige Regulierungen in der Schweiz zu erreichen, war es für Grossunternehmen oft nützlich, sich hinter der ganzen Branche zu verstecken und als Swiss Banking, Scienceindustries (Chemie/Pharma), Swissnégoce (Rohstoffhandel) oder Swissmem (Metall/Maschinen) aufzutreten. Ist der Sonderzustand der Deals mit Trump einmal vorbei, werden die Verbände vielleicht wieder an Bedeutung gewinnen. 

Klar ist nun aber: Auch in der Schweiz sind die Oligarchen eine Macht – jetzt sind sie in ihrer ganzen Bedeutung aus dem Schatten getreten.

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