Rekordjahr für Erbschaften in der Schweiz
Das Geld bleibt in einigen wenigen Superreichen-Familien

Noch nie wurde in der Schweiz so viel Geld vererbt. Das zementiert die ungleiche Verteilung von Reichtum. Kein Wunder, scheuen Bürgerliche Erbschaftssteuern wie der Teufel das Weihwasser. 

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SELBST IHM WIRD GEGEBEN: Reich bestückter Hund in St. Moritz. (Foto: Keystone)

Die Rekordmarke ist geknackt: 2025 werden in der Schweiz 100 Milliarden Franken vererbt, so viel wie noch nie. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren waren es noch 63 Milliarden. Was den Erbinnen und Erben noch nebenbei in die Wiege gelegt wird: Netzwerke, Zugang zu Bildung und viel bessere Lebenschancen – durch den Zufall der Geburt. Der rasante Anstieg der letzten Jahre liegt in erster Linie daran, dass der Wert von Häusern und Aktien stark zugelegt hat – viel stärker als die Löhne. Je höher die Vermögen sind, desto höher sind auch die künftigen Erbschaften. Rund die Hälfte des Vermögens der Schweizerinnen und Schweizer ist heute geerbt.

Die über jeden linken Zweifel erhabene «Handelszeitung» spricht gar von einem Geld-Tsunami, der die in der «Schweiz bereits hohe Vermögenskonzentration zementiert und verschärft». Das bewirke eine wachsende Ungleichheit, und diese wiederum gelte als «Sprengsatz für politische Stabilität». Und findet darin – was nicht einer gewissen Ironie entbehrt – auch eine Erklärung für die in rechtsbürgerlichen Kreisen zurzeit vielkritisierte Teilzeitarbeit: Wer viel erbe, werde weniger arbeiten. 

Verdeckter Reichtum

In der Schweiz besitzen die 300 reichsten Menschen ein Gesamtvermögen von über 830 Milliarden Franken und damit mehr als doppelt so viel wie noch vor 20 Jahren. Und das reichste Prozent hält rund 45 Prozent der gesamten privaten Vermögen. Das bedeutet: auch die Erbschaften konzentrieren sich auf einige wenige. Rund ein Prozent der Erben erhält einen Drittel der gesamten Erbmasse. Während ein Drittel der Bevölkerung gar nichts erbt.

Die genaue Erbsumme kennt allerdings niemand. Die Analysen beruhen auf den vorhandenen Steuerdaten – und auf der Reichen-Auflistung des Wirtschaftsmagazins «Bilanz». Die Gründe:

Die Schweiz hat keine einheitliche nationale Erbschaftssteuer, die Kantone haben in den letzten 30 Jahren einen Grossteil der Erbschaftssteuern abgeschafft, und die Superreichen können über die Pauschalbesteuerung ihr wahres Vermögen verschleiern.

Wohl auch deshalb hat die Schweiz die weltweit höchste Milliardärsdichte: Sie beherbergt 152 Milliardärinnen und vor allem Milliardäre. Das sind 17 Milliardäre auf eine Million Einwohnende.

Grosszügige Steuergeschenke

Das kommt nicht von ungefähr: In den vergangenen Jahren hat die Schweiz den Reichen und Superreichen grosszügige Steuergeschenke gemacht. Auf Kosten der unteren und mittleren Einkommen senkten die bürgerlichen Mehrheiten in Bund, Kantonen und Gemeinden die Steuern für Firmen, Grossverdiener und Superreiche. Und öffneten ihnen zusätzliche Steuerschlupflöcher. Während Lohnabhängige jeden Franken versteuern müssen. Und wer erbt, macht dafür nicht mal den kleinen Finger krumm.

Wer hat, dem wird gegeben

Erben funktioniert nach dem biblischen Matthäus-Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. Erben zementiert also Ungleichheit. Und gibt einigen wenigen die Möglichkeit, sich ihren politischen Einfluss zu erkaufen. Kein Wunder, ist auf rechtsbürgerlicher Seite Panik ausgebrochen angesichts der Juso-Initiative, die eine Erbschaftssteuer einführen will (siehe Box unten). Sie erwarten einen «Reichen-Exodus», wenn nicht gar das «Ende der Marktwirtschaft». Und obwohl die Initiative in den Umfragen einen sehr schweren Stand hat, schiessen sie schon seit Wochen aus allen Rohren dagegen. Das Trauma des links-gewerkschaftlichen AHV-13-Sieges scheint noch nicht überwunden.

Die rekordhohen 100 Milliarden Erbfranken sind ungefähr doppelt so viel, wie die AHV jährlich ausschüttet. 2015 lehnte die Stimmbevölkerung eine Initiative für eine nationale Erbschaftssteuer deutlich ab. Diese hätte Erbschaften von über zwei Millionen Franken besteuern wollen, zwei Drittel der Einnahmen wären in den AHV-Ausgleichsfonds geflossen. Sie hätte nur rund fünf Prozent der reichsten Vererbenden betroffen. Stattdessen hat die Schweiz 2021 eine Art Erbschaftssteuer für Arme eingeführt. Wenn für Pensionierte die Altersrente nirgends hinreicht, haben sie Anrecht auf Ergänzungsleistungen (EL). Die Revision hat dazu geführt, dass diese Menschen ihr ohnehin bescheidenes Vermögen fast ganz aufbrauchen müssen, bevor sie etwas vererben können. Bekommen die Erbenden trotzdem noch mehr als 40'000 Franken, müssen sie damit die EL-Beiträge zurückerstatten. Wer wenig hat, dem wird genommen.

Juso-Initiative: Reiche Erben sollen für die Klimakrise bezahlen

In der Schweiz schädigen Reiche und Superreiche das Klima um ein Vielfaches mehr als die Gering- und Mittelverdienenden. Bei den reichsten 5 Prozent hat der durchschnittliche CO2-Ausstoss um mehr als einen Drittel innert 30 Jahren zugenommen. Darum sollen auch jene am meisten an die Bekämpfung der Folgen des Klimawandels bezahlen, die ihn hauptsächlich verursachen. Als ein Mittel schlägt die Juso mit einer Initiative vor, Erbschaften ab 50 Millionen Franken zu 50 Prozent zu besteuern und das Geld für den ökosozialen Umbau zu verwenden. Sie haben dazu die Initiative «Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert -(Initiative für eine Zukunft)» eingereicht. Am 30. November kommt die Vorlage an die Urnen. 

Risiken

Für die Gewerkschaften ist klar: Die Folgen der Klimakrise treffen täglich Arbeitnehmende, die zunehmenden Risiken ausgesetzt sind. So teilt auch der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) das Kernanliegen der Juso-Initiative: eine gerechtere Verteilung des Reichtums und eine ökologische Umgestaltung der Wirtschaft. Allerdings stellt er die konkrete Durchführbarkeit der Initiative und die möglichen Auswirkungen auf Löhne und Beschäftigung in Frage. Aus diesen Gründen hat der SGB Stimmfreigabe beschlossen.

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