Das giftige Business des Schweizer Agrochemiekonzerns
Globale Premiere: Pestizid-Opfer aus Indien klagen gegen Syngenta

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Zwei indische Witwen fordern von Syngenta Schadenersatz. Jetzt sucht das Basler Gericht Beweise.

GEFÄHRLICH: Syngenta darf das Insektizid Polo in Europa nicht verkaufen. (Foto: Puclic Eye)

In Yavatmal, Indien, erlitten 2017 Hunderte Landarbeiterinnen und -arbeiter schwere Vergiftungen, über 20 von ­ihnen starben. Eine Recherche der Organisation Public Eye zeigte: Beim Ausbringen der Pestizide auf den Feldern hatten sie einen Giftcocktail verwendet, in dem auch Polo enthalten war. Polo ist ein Insektizid des Agrochemiekonzerns Syngenta. In der Schweiz und in der EU ist der Wirkstoff seit Jahren verboten. Die Europäische Che­mikalienagentur hat den Wirkstoff in Polo als «giftig beim Einatmen» eingestuft und «bei ­längerer oder wiederholter Exposition organschädigend». Syngenta streitet ab, dass Polo schuld an der Vergiftung sei. Gerichtsverfahren in Indien verliefen bisher im Sand, und die Chemielobby hat ein weltweites Verbot bis heute mit Erfolg verhindert (work berichtete).

Giftige Substanzen

Die Witwen von zwei Landwirten, die in Yavatmal an einer Vergiftung durch Polo starben, sowie ein Landwirt, der knapp überlebte, haben Syngenta bereits 2021 auf Schadensersatz angeklagt. Der Agrochemiekonzern Syngenta ging im Jahr 2000 aus einer Fusion zwischen Novartis Agrobusiness und dem Agrogeschäft von Astra Zeneca hervor. 2017 hat Chemchina Syngenta übernommen. Syngenta gehört zu den fünf grössten Agrochemiekonzernen der Welt. Diese er­zielen rund einen Drittel ihrer Pestizidumsätze mit dem Verkauf von hochgiftigen Sub­stanzen. Und zwar vor allem in Ländern des globalen Südens. Die Zentrale und der Verwaltungssitz von Syngenta befinden sich in Basel.

Globale Premiere

Deshalb haben die beiden Frauen und ­der Landwirt die Klage beim Basler Zivilgericht eingereicht. Dieses hat jetzt beschlossen, Beweise zu sammeln für den Einsatz des Pestizids Polo. Der Gerichtsfall ist eine globale Premiere: es ist die erste zivilrechtliche Klage aus dem globalen ­Süden gegen einen Agrochemiekonzern. Und er steht exemplarisch für die Menschenrechtsverletzungen von Konzernen. Der Basler Prozess könnte wegweisend sein für andere Betroffene und für den Umgang mit Konzernverantwortung in der Schweiz.

Ein Urteil gibt es zwar noch nicht. Dennoch gibt es einen ersten Erfolg zu verzeichnen: Im Juni 2022 gewährte das Gericht den Klägerinnen und dem Kläger ­unentgeltliche Rechtspflege. Das heisst, sie müssen vorläufig weder Gerichts- noch Anwaltskosten bezahlen.

Dies deutet darauf hin, dass das Gericht grundsätzlich der Ansicht ist, dass Syngenta für Schäden haftbar gemacht werden könnte, die durch ihre gefähr­lichen Produkte im Ausland verursacht werden.

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