Angeblich «wegen Corona»
SVP-Fischhändler macht Konkurs – Staat soll für Überstunden-Exzesse blechen

Die Zahner Fischhandel AG ist pleite und streicht 18 Jobs. Schuld sei die Covidpandemie, behauptet Chef und SVP-Politiker Bernhard Zahner. Gegen ihn erhoben Mitarbeitende 2023 schwerste Vorwürfe. Und auch jetzt scheint vieles im Argen.

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ZEIGTE SICH PROTZIG MIT ZIGARRE: SVP-Politiker und Fischhändler Bernhard Zahner. (Foto: Njazi Nivokazi)

«Schweren Herzens» müsse er darüber informieren, dass die Zahner Fischhandel AG die Bilanz deponiert habe und per sofort ihren Betrieb einstelle. Dies schrieb Firmenchef Bernhard Zahner (36) am 28. Juli in einem Kundenbrief. Seine Fische lieferte Zahner, der für die SVP im St. Galler Kantonsparlament sitzt, an Restaurants in der ganzen Ostschweiz. Ausserdem waren seine Verkäuferinnen und Verkäufer auf Wochenmärkten bis nach Zürich tätig. Mit der Pleite gehen 18 Jobs verloren. Er habe viel Herzblut in den Betrieb gesteckt, schreibt Zahner weiter, doch zuletzt habe er sich eingestehen müssen, dass der Betrieb «in der bestehenden Form nicht länger tragfähig» sei.

Konkurrenz sieht keine Not

Schuld an der Pleite seien die «Auswirkungen der Coronapandemie», die «strukturellen Veränderungen im Markt» und stark gestiegene Kosten. Insbesondere die enge Verknüpfung mit der Gastronomiebranche, die selbst massiv unter der Pandemie gelitten habe, sei für den Umsatzeinbruch verantwortlich.

work hat in der Fischhandelsszene nachgefragt: Viele Händler bestätigen, dass die Pandemie den Markt verändert habe. Ebenso herrscht Einigkeit darüber, dass die gegenwärtige Wirtschaftslage nicht die beste sei für die Branche. Doch existentielle Schwierigkeiten sieht keine der befragten Firmen. Im Gegenteil sei Fisch nach wie vor ein sehr gefragtes Gut, heisst es rundum. Könnten also noch andere Gründe zu Zahners Aus geführt haben?

Grüsel- und Plackerei-Vorwürfe

Sicher ist: Ab Ende 2024 liefen ihm einige seiner besten Mitarbeitenden davon. Und im work erhoben diese schwere Grüsel-Vorwürfe gegen ihren Chef. Etwa Verkäufer Fritz Merki*:

Immer wieder mussten wir tiefgekühlten Fisch umetikettieren und mit einem neuen Datum versehen.

Oder Ex-Verkäufer Sepp Scheidegger*:

Ältere Stücke wurden manchmal einfach zu Fischknusperli verarbeitet. So schmeckt man ja nichts mehr.

Ein dritter Marktfahrer erlitt sogar eine Lebensmittelvergiftung nach dem Verzehr abgelaufener Crevetten. Zahner dementierte rundweg und versicherte, nur einwandfreie Ware zu verkaufen. Doch die Hygiene war nicht der einzige Streitpunkt.

So rechtfertigte sich der Fischhändler im TV

Nach den Enthüllungen der work-Zeitung trat Fischhändler Bernhard Zahner beim Regionalsender TVO vor die Kamera und versuchte, die Vorwürfe herunterzuspielen. Den Beitrag gibt es über diesen Link.

Mitarbeitende berichteten auch von Dauer-Videoüberwachung, Pausenverboten und extremen Überstunden-Marathons. Etwa Marktfahrerin Kristina ­Pavic*. Ihre Stempelkarte vom April 2022 liegt work vor und zeigt das Ausmass der Plackerei: Kurz vor Ostern hatte sie an einem Tag fast 21 (!) Stunden durchgearbeitet, durfte dann 3 Stunden Pause machen, bevor sie zu einer 12-Stunden-Schicht antraben musste. So was ist illegal. Zahner versicherte, der Sache nachzugehen. Doch geändert hat er offenbar nichts.

Ein verheerender Deal

Ein ehemaliger Marktfahrer sagt: «Es wurde nur noch schlimmer.» work weiss zudem von einer Mitarbeiterin, die in rund zwei Jahren fast 500 Überstunden angehäuft hat – und zwar ohne die gesetzlich vorgeschriebene Kompensation durch Ferien oder Zuschläge. Sie fürchtete, definitiv abgezockt zu werden. Doch im Juni einigte sie sich mit Zahner auf einen Deal: Sie sollte zu 80 Prozent weiterarbeiten und dabei den vollen Lohn kassieren, bis die Ansprüche ausgeglichen seien. Doch bloss gut einen Monat später meldete Zahner Konkurs an. Jetzt muss die Insolvenzentschädigung einspringen, also die Arbeitslosenversicherung, was wiederum heisst: die Allgemeinheit. Aber: Die Insolvenzentschädigung deckt nur offene Lohnforderungen der letzten vier Monate ab. Wer also innert zweier Jahre 500 Überstunden akkumuliert hat, droht weitgehend leer auszugehen.

Konkurs wohl geplant

Zudem fällt auf: Zahner muss seinen Konkurs geplant haben. Denn schon am 18. Juli, also gut eine Woche vor dem Konkurs, registrierte er die Internet-Domain www.fisch-zahner.ch. Unter diesem Namen will er seine Fisch-Knusperli-Produktion und das Marktgeschäft weiterführen. Diese Geschäftsteile sind laut Zahner nämlich «wirtschaftlich tragfähig».

Unia-Sekretär Lukas Auer hat schon viele Zahner-Mitarbeitende beraten. Zu dessen jüngstem Manöver sagt er: «Die Kosten dem Staat, die Gewinne privat!» Nach diesem Motto wirtschafte Zahner ganz offensichtlich. Jetzt müssten die Behörden umso genauer hinschauen und seine neue Firma regelmässig und streng kontrollieren. Denn, so Lukas Auer weiter:

Sonst macht der einfach weiter, und die Allgemeinheit darf am Schluss wieder blechen.

Zahner will sich zu den neusten Vorwürfen nicht äussern, sondern bittet um «Verständnis, dass ich Ihrem Medium für weitere Auskünfte nicht zur Verfügung stehe».

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