Nach work-Recherche: Inspektorate ermitteln, Fischer packen aus

Fischhändler Zahner macht auch Berufsfischer stinkig!

Jonas Komposch

Der St. Galler ­Fischhändler und SVP-Politiker ­Bernhard Zahner steht unter ­Beschuss. Nach Grüsel- und Schindereiklagen von Ex-Mitarbeitenden ­ermittelt der Kanton. Und die Fischer vom Zürichsee lüften ihr Geheimnis vom «Nötigungs-Prozess».

HAPPIGE VORWÜRFE: Fischhändler Zahner hat sich mit seinen Berufskollegen verkracht, weil er ausländischen Fisch als Zürichsee-Fisch verkauft haben soll. (Foto: Keystone)

Es sind happige Vorwürfe, mit denen der St. Galler Fischhändler und SVP-Kantonsrat Bernhard Zahner (34) konfrontiert ist. Erhoben haben sie ehemalige Zahner-Marktfahrerinnen und -fahrer im letzten work: Ihr Chef habe in allen Verkaufswagen heimlich Kameras installiert, seither könne er dem Personal via Handy jederzeit zuschauen und zuhören. Zudem seien ihnen Pausen verboten worden. Und an Ostern hätten sie stets Marathon-Schichten leisten müssen, gut und gerne 20 Stunden am Stück, und dies ohne die obligatorischen Zuschläge für Nachtarbeit und Überstunden.

ZAHNER VERZÖGERT

Nach dem Bericht meldete sich Kristina ­Pavic* bei work. Die Ex-Verkäuferin bestätigt die Vorwürfe – und liefert neue Beweise. Ihre Stempelkarte vom April 2022 zeigt: Kurz vor Ostern hatte sie an einem Tag fast 21 Stunden durchgearbeitet. Das ist illegal – aber für Zahner offenbar nicht genug. Nach der Megaschicht hatte ­Pavic gerade mal drei Stunden Pause bis zur nächsten 12-Stunden-Schicht. Doch nicht nur die Mitarbeitenden riskieren möglicherweise ihre Gesundheit.

Alle Zahner-­Insider, mit denen work gesprochen hat, bemängeln nämlich auch die Betriebshygiene. Für viele war diese sogar der Hauptgrund, zu kündigen. Etwa für Ex-Verkäufer Fritz Merki*, der beteuert: «Immer wieder mussten wir tiefgekühlten Fisch umetikettieren und mit einem neuen Datum versehen.» Ex-Verkäufer Stefan Vogt* erlitt sogar eine Krustentiervergiftung, nachdem er seinem Chef Crevetten abgekauft hatte. Er sagt: «Erst als die Bauchschmerzen kamen, merkte ich, dass die Crevetten abgelaufen gewesen waren.»

Zahner bestritt die Vorwürfe im letzten work auf ganzer Linie. Alles sei rechtens ab­gelaufen, und er verkaufe «ausschliesslich einwandfreie Ware». Einzig bei der fehlenden Überstundenvergütung zeigte sich der SVP-Mann verunsichert: Diesen Punkt werde er «analysieren», versprach er. Seither sind sechs Wochen vergangen, doch gescheiter ist Zahner nicht geworden. Er sagt bloss: «Wir sind daran, die Vorgänge zu überprüfen.» Eilig scheint er’s nicht zu haben. Umso alarmierender sind die jüngsten Signale aus dem Betrieb.

IN DER KRITIK: work berichtete in der letzten Ausgabe über den St. Galler Fischhändler Zahner. (Foto: work / Njazi Nivokazi)

INSPEKTORATE ERMITTELN

Von dort heisst es, dass manche Löhne zuletzt deutlich zu spät eingetroffen seien. Und dass gewisse Produzenten wegen angeblich offener Rechnungen keinen Fisch mehr lieferten. Dazu Zahner: «Interne Angelegenheiten klären wir direkt mit den betreffenden Partnern und kommentieren diese nicht öffentlich.»

Ebenfalls keine fallbezogenen Aussagen gibt es vom Kanton St. Gallen. Doch bestätigt Karin Jung, Leiterin des Amts für Wirtschaft und Arbeit, man habe die Vorwürfe zur Kenntnis genommen. Und sie teilt mit: «Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, können wir uns zum konkreten Sachverhalt nicht äussern.» Grundsätzlich führe das Arbeitsinspektorat Kontrollen vor Ort durch, wenn Hinweise zu mutmasslichen Verstössen gegen das Arbeitsgesetz vorlägen. Bei tatsächlichen Verstössen folge zuerst eine Mahnung, dann eine Strafandrohung und ultimativ eine Strafanzeige.

Auch Kantonschemiker Pius Kölbener hat den Fall auf dem Radar. Er sagt: «Wir nehmen Hinweise von Konsumenten, Mitarbeitenden oder anderen betroffenen Personen nicht nur zur Kenntnis, sondern gehen diesen im Rahmen unserer amtlichen Kon­trolltätigkeit nach.» Sys­tematische und über Jahre ­auftretende unhaltbare hygienische Zustände würden vom ­Lebensmittelinspektorat «früher oder später» festgestellt – etwa mit Probenuntersuchungen oder durch Inspektionen, die «grundsätzlich unangemeldet» erfolgten, so Kölbener.

«KEINER VON UNS»

Während beim Kanton die Verfahren noch laufen, ist die ­Meinung bei vielen Zürichsee-­Berufsfischern längst gemacht. Sie haben Zahner schon vor Jahren aus ihrem Verband geworfen. Denn Zahner hatte den dama­ligen Verbandspräsidenten verklagt – und zwar, weil dieser und andere ihm Etikettenschwindel vorgeworfen hatten! Konkret soll er ausländischen Fisch als Zürichsee-Fisch verkauft haben. Ein damals ­Involvierter sagt noch heute: «Zahner macht ­unseren ganzen Berufsstand kaputt!» Damals drohten die Berufsfischer mit dem Gang an die Presse, falls Zahner nicht ein Protokoll unterschreibe, wonach er die angebliche Trickserei künftig unterlasse. Zahner unterzeichnete, klagte aber später wegen Nötigung – und bekam 2016 recht. Der Fall wurde nie öffentlich. Heute will sich Zahner dazu nicht mehr äussern. Und von den Verbandsberufsfischern traut sich keiner, mit Namen hinzustehen – aus Angst vor weiteren Klagen. Anonym sagt einer: «Zahner ist ein schlauer Geschäftsmann, aber keiner von uns.» Ein anderer sagt: «Er fischt nur für Werbe-zwecke!» Tatsächlich präsentierte sich der findige Fischhändler immer wieder als ­fleissiger Berufsfischer.

FRISCH VOM FLUGHAFEN

Etwa 2015 in einem Artikel über «nachhaltigen» Schweizer Fisch im «Migros-Magazin». Oder 2018 in einem Youtube-Video. Darin sagt Zahner: «Mier tüend hauptsächlich im Zürisee fischä, aber beziehnd au no Fisch us andernä Seeä i dä Schwiiz.» Ex-Angestellte sagen dagegen, sie hätten die Verkaufsware hauptsächlich an den Flughäfen Zürich und Basel abholen müssen, selbst habe der Chef fast nie gefischt. Auf Nachfrage erklärt Zahner: «Früher war ich fast täglich auf dem See. Aufgrund der Entwicklung unseres Unternehmens in den letzten Jahren ist mir dies heute leider nur noch selten möglich.» Bei der Aussage im Video sei es nur um die regionalen Fischprodukte gegangen. Insgesamt verkaufe sein Betrieb rund 70 Prozent Importware und 30 Prozent Schweizer Fisch, ­wobei dieser mehrheitlich aus Zuchtbetrieben stamme. Wenigstens das ist also geklärt!

*Namen geändert

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.