Land- und Forstwirtschaft, Industrie und Bau, Dienstleistungen: Diese Dreiteilung der Wirtschaft greift viel zu kurz.

ARBEIT! Kinder sind härzig – und geben massig Arbeit. Mütter im südenglischen Hastings 2008. Foto: Andy Wilson.

Ökonomen lieben es, die Realität in vereinfachenden Modellen darzustellen. Beispiel Drei-Sektoren-Modell: die Unterteilung der Wirtschaft in Land- und Forstwirtschaft, Industrie und Bau, Dienstleistungen. Dieses Modell greift aus zwei Gründen zu kurz.

Erstens: Der grösste Teil der Arbeit wird nicht in einem dieser drei Sektoren geleistet, sondern unbezahlt, vor allem Hausarbeit und Kinderbetreuung. 2024 wurden in der Schweiz insgesamt 8 Milliarden Stunden bezahlt und 12 Milliarden Stunden unbezahlt gearbeitet.

Jährliches tatsächliches Arbeitsvolumen 2024 in Millionen

Hinweis: DL = Dienstleistungsberufe. Bezahlte Care-Arbeit berücksichtigt hier das Gesundheits- und Sozialwesen, jedoch nicht Erziehung und Unterricht, da die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden für das Unterrichtswesen nicht veröffentlicht werden. Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS), Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE), Arbeitsvolumenstatistik (AVOL), Modul unbezahlte Arbeit.

Zweitens: 70 Prozent der Arbeit sind Care-Arbeit oder Sorge- und Versorgungsarbeit. Dies umfasst die unbezahlte Arbeit sowie zum Beispiel die bezahlte Pflege von Betagten in Altersheimen oder die Betreuung von Kindern in Kitas. Die Erfassung der Care-Arbeit als separate Kategorie – als vierten Wirtschaftssektor – ist zentral, da sich Care-Arbeit fundamental von anderer Arbeit unterscheidet. Arbeit wie die Produktion von Autos kann dank technischem Fortschritt immer schneller erledigt werden. Betagte Menschen aber können nicht immer schneller gewaschen, kleine Kinder nicht immer schneller gefüttert werden. Care-Arbeit ist personal- und zeitintensiv. Dies drückt Löhne und Ansprüche an Arbeitsbedingungen.

Das Vier-Sektoren-Modell hilft, wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme zu verstehen und Lösungen zu finden. Frauen arbeiten öfter in Care-Berufen, leisten den grössten Teil der unbezahlten Care-Arbeit und arbeiten deshalb öfter Teilzeit. Dies führt zu tiefen Löhnen, schlechteren Karrieremöglichkeiten und tiefen Renten für Frauen. Löhne und Arbeitsbedingungen in Care-Berufen müssen verbessert werden. Es braucht kürzere Arbeitszeiten, um bezahlte und unbezahlte Arbeit vereinen zu können und die unbezahlte Arbeit auf beide Geschlechter zu verteilen.

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