Bettina Dauwalder (70) – seit 1991 am Frauenstreik dabei
«Wir haben jedes Flugblatt von Hand kopiert»

Sie war 1991 dabei, 2019, 2023 ebenso und wird auch dieses Jahr am 14. Juni auf die Strasse gehen: Bettina Dauwalder kämpft seit den 1970er Jahren für Gleichberechtigung. 

BETTINA DAUWALDER ERINNERT SICH GERNE AN 1991: «Die Stimmung auf dem Bundesplatz war genial.» (Foto: Yoshiko Kusano)

«Es ist die Aufgabe der Frau, Mann und Kindern ein warmes Zuhause zu bieten.» Das schrieb 1991 eine Leserin an die Redaktion der «Berner Zeitung». Der geplante Frauenstreik – wie er damals noch hiess – erhitzte die Gemüter stark; nicht nur die der Männer. Bettina Dauwalder, die zu dieser Zeit im Kantonsressort der «Berner Zeitung» arbeitete, erinnert sich noch gut an die zum Teil heftige Ablehnung, die der Frauenstreik auslöste:

Viele Menschen reagierten hämisch, gemein, aggressiv. Wir erlebten schon während der Streikvorbereitungen extremen Gegenwind, das kann man sich heute fast nicht mehr vorstellen.

Berichten mussten die Männer

Trotzdem organisierten Dauwalder und einige ihrer Arbeitskolleginnen mit Unterstützung der SJU (Schweizerische Journalistinnen- und Journalistenunion, damals eine Sektion des VPOD) verschiedene Aktionen am Streiktag: Am 14. Juni 1991 wurde das BZ-Gebäude beflaggt, in der Streikpause servierten die Männer den Frauen in der Redaktion Kaffee, die Frauenarbeitsplätze von Redaktion bis Spedition wurden gemeinsam besichtigt. Auf den Mittag ging die Frauengruppe in die Stadt – und weigerte sich, über den Streik zu schreiben. «Das mussten die Männer übernehmen», erzählt Bettina Dauwalder. Ihre Forderungen fassten die Redaktorinnen in einem Brief an die Chefredaktion zusammen. Darin ging es unter anderem um die Bildung einer paritätischen Kommission, um die Frauenförderung voranzubringen. 

Organisation ohne Internet

Der Brief schoss zwar ins Leere, und auch der Leitartikel, den Bettina Dauwalder zum 14. Juni veröffentlichte, stiess auf Widerstand der Chefredaktion. Trotzdem denkt die 70jährige gerne an den damaligen Streiktag zurück: «Die Stimmung auf dem Bundesplatz war genial, und es war unglaublich berührend, den Tag, auf den wir so intensiv hingearbeitet hatten, mit Tausenden von Gleichgesinnten zu verbringen.» Denn: Ohne Internet und ohne Handys war die Vorbereitung um einiges aufwendiger als heute. Dauwalder erzählt:

Wir haben quasi jedes Flugblatt selbst geschrieben und am Kopierer vervielfältigt, telefoniert wurde ausserhalb der Redaktion in der Telefonkabine. Wir hatten keine Chat-Gruppe, in der wir uns austauschen konnten, sondern haben uns oft physisch getroffen, um zu planen, zu schreiben und zu organisieren. Das kann man sich heute fast nicht mehr vorstellen.

Die eigene Meinung vertreten, für Frauenrechte und Gleichberechtigung einstehen, auch wenn’s unbequem ist: Das tut Bettina Dauwalder seit den 1970er Jahren, zuerst als Lehrerin, dann als Journalistin und schliesslich als Mitarbeiterin beim VPOD. «Ich habe früh gelernt, dass es wichtig ist, Gruppen zu bilden. Alleine ist es schwierig, den Gegenwind auszuhalten. Aber als Gruppe, auch wenn sie klein ist, kann man extrem viel ertragen.»

2019, als zum ersten Mal seit langem wieder ein grosser feministischer Streik stattfinden sollte, war Bettina Dauwalder gerade frisch pensioniert. Und sie wollte mehr tun, als an der Demo mitzulaufen und den Reden zuzuhören. So gründete sie gemeinsam mit Bekannten das Silberteam, eine heute rund zehnköpfige Gruppe politisch aktiver Rentnerinnen, die sich immer wieder mit spontanen Aktionen für die Rechte und die Sichtbarkeit älterer Frauen und gegen Gewalt und Armut im Alter starkmacht. Dieses Jahr hilft Bettina Dauwalder zudem im feministischen Streikkollektiv Bern mit, den Streiktag zu organisieren. 

Aktive Frauen

Und wie hat sich der Frauenstreik entwickelt? Er wurde zum feministischen Streik. «Wir sprechen von Flintas, weil das Kollektiv eine LGBTQ-Bewegung ist», sagt Bettina Dauwalder. Genderfragen, der Kampf gegen die Gewalt an Frauen, die ungerechte Verteilung der Sorgearbeit seien wichtige Themen. Junge Flintas engagierten sich neben Ausbildung, Beruf und Familienleben freiwillig ohne jegliche Bezahlung. 

Was läuft am 14. Juni?

Der diesjährige Frauenstreik steht unter dem Motto «Kein Schritt zurück – gemeinsam für Gleichstellung!»

In 25 Städten und Gemeinden sind an diesem Samstag, 14. Juni, Kundgebungen und Demonstrationen für mehr Gleichstellung geplant.

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