45'000 Lernende bestätigen, wovor Unia schon lange warnt:
Fast zwei Drittel der Lernenden sind am Anschlag!

Über 60 Prozent der jungen Berufsleute leiden in der Lehre an psychischen Problemen. Der Arbeitgeberverband bagatellisiert. Und eine Petition für 8 Wochen Ferien für Lernende geht durch die Decke. 

ANSTRENGEND: Ein Schreiner-Lehrling bei der Arbeit. (Foto: Keystone)

Unser Berufsnachwuchs steht unter Druck. Das zeigt eine repräsentative Befragung von WorkMed, eines privatwirtschaftlichen Kompetenzzentrums für Arbeit und psychische Gesundheit. An der Befragung nahmen rund 45’000 Lernende teil. Und ihre Antworten sind alarmierend: 61 Prozent der Befragten gaben an, während der Lehre psychische Probleme gehabt zu haben. 60 Prozent dieser Lernenden berichten, dass ihre Probleme durch die Lehre ausgelöst oder verstärkt wurden. Eine gefährliche Situation, vor der die Unia bereits vor einem Jahr gewarnt hat – mittels einer eigenen Umfrage unter über 1000 Lernenden (work berichtete).
  
Félicia Fasel, nationale Jugendsekretärin der Unia, sagt daher:

Die neuen Ergebnisse überraschen uns leider überhaupt nicht. Die Gewerkschaften warnen schon lange vor der psychischen Belastung der Lernenden. Jetzt muss endlich etwas geschehen!

WILL ENDLICH TATEN SEHEN: Unia-Jugendsekretärin Félicia Fasel. (Foto: Tanja Lander)

Bereits vergangene Woche lancierte der Schweizerische Gewerkschaftsbund einen offenen Brief an den Bundesrat. Die Forderung: 8 Wochen Ferien für alle Auszubildenden. Die Forderung trifft auf enormen Zuspruch. In knapp vier Tagen kamen bereits über 100’000 Unterschriften zusammen. Und es werden stündlich mehr. Hier unterschreiben: jetzt.8wochen.ch

Arbeitgeberverband redete schon Unia-Studie schlecht …

Pikant: Die Befragung von WorkMed hatte unter anderem der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) in die Wege geleitet. Ausgerechnet! So hatte SAV-Funktionärin Nicole Meier vor einem Jahr noch lauthals gegen die Unia-Lernenden-Umfrage ausgeteilt. In einem Interview mit dem Beobachter behauptete Meier, die Unia-Umfrage arbeite mit «Pauschalisierungen» und sei «ungenau». Zudem werde «ein Berufsbildungs-Bashing betrieben, das nicht gerechtfertigt ist.»

IHRE BEHAUPTUNGEN SIND HALTLOS: Nicole Meier. (Foto: SAV)

… und verschliesst auch jetzt die Augen

Doch siehe da! Jetzt kommt auch die WorkMed-Studie zu weitgehend gleichlautenden Resultaten. Demnach nennen 63 Prozent der Lernenden als häufigste Belastungen lange Arbeitszeiten, zu wenig Ferien und die Angst vor schulischer Überforderung. An zweiter Stelle folgt mangelndes Verständnis seitens der Lehrbetriebe bei Fehlern oder persönlichen Schwierigkeiten (60 Prozent). Nur rund die Hälfte (56 Prozent) würde ihren Lehrbetrieb uneingeschränkt weiterempfehlen; 33 Prozent nur bedingt, und jede und jeder Zehnte Lernende (11 Prozent) gar nicht.
 
Und zwei Drittel der Lernenden in kleineren Lehrbetrieben (10-50 Mitarbeitende) erhielten zu Lehrbeginn kein strukturiertes Einführungsprogramm; 40 Prozent wurden nicht einmal am ersten Tag eng begleitet.
 
Was aber macht der Arbeitgeberverband aus diesen Befunden? Seine Schlagzeile grenzt an Realitätsverdrehung: «Studie zeigt: Berufslehre hat positive Effekte auf die psychische Gesundheit.» Und wenn praktisch alles gut ist, braucht sich ja nichts zu ändern. Oder in den Worten des SAV: «Für den SAV zeigt die Studie klar auf, dass (…) es keinen pauschalen Handlungsbedarf gibt.»

Junge Menschen ernstnehmen

Lernende und ihre Sorgen werden nicht erst seit gestern nicht ernstgenommen. Auf diese Problematik machte kürzlich auch die Lernendenbewegung Scorpio in Basel aufmerksam. Im März organisierten die jungen Berufsleute eine Demonstration mit Hunderten Teilnehmenden (work berichtete). Sie gingen gegen die rückständigen Verhältnisse in der Lehre, gegen tiefe Löhne und Sexismus sowie Rassimus auf die Strasse. Der Basler Arbeitgeberverband sowie der Gewerbeverband reagierten auf ihre Weise. Bei den angesprochenen Problemen handle es sich bloss um bedauerliche «Einzelfälle». 
 
Die Unia dagegen unterstützte die Scorpio-Demo und war ebenfalls vor Ort. Dazu Jugendsekretärin Felcia Fasel:

Als Gewerkschaft ist es unsere Aufgabe, uns für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. Auch in der Lehre. Es ist wichtig, den jungen Menschen zuzuhören und ihre Anliegen ernst zu nehmen. Denn sie stehen hierarchisch in den Betrieb oft an letzter Stelle.

Trotz allem: Lehre als Vorbild

Trotz aller Probleme ist die Lehre weiterhin ein beliebter Bildungsweg. Gerade das duale System zwischen Lernen und Arbeiten wirkt auf junge Leute anziehend. Auch das bestätigt die WorkMed-Studie: Demnach sagen 80 Prozent, sie hätten sich auf den Lehrbeginn gefreut. Besonders gefreut habe sie die Aussicht aufs Geldverdienen, einer interessanten Arbeit nachzugehen, selbständig zu werden und etwas Sinnvolles zu tun. Und rund 80 Prozent der Lernenden gehe es in der Lehre «eher gut bis sehr gut».
 
Die ganze Auswertung finden Sie über diesen Link.

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.