Was für eine Schnappsidee
Bundesrat will an ihr Trinkgeld ran – und lässt die Reichen in Ruhe 

Der Bundesrat will Abgaben auf das Trinkgeld von Gastro-Mitarbeitenden – zur Finanzierung der AHV. Doch dort, wo das Geld sprudelt, schaut er grosszügig weg – und widerspricht sich dabei selbst. 

IM VISIER DES BUNDESRATES: Gastro-Mitarbeitende sind auf ihr Trinkgeld angewiesen. (Foto: Canva)

Für die AHV-Reform 2030 ist der Bundesrat auf der Suche nach neuen Einnahmequellen und prüft auch eine Abgabe auf Trinkgeldern, wie der Blick berichtet. Der Bund schätzt, dass in der Schweizer Gastronomie jährlich Trinkgelder in der Höhe von bis zu einer Milliarde Franken bezahlt werden. Eine Abgabe darauf könne für die AHV jährlich bis zu 50 Millionen Franken einbringen. Mauro Moretto hält das für eine Schnapsidee. Der Unia-Verantwortliche fürs Gastgewerbe sagt:

Eine Abgabe auf das Trinkgeld ginge primär zulasten von Arbeitnehmenden mit eh schon bescheidenen Einkommen und ist ausserdem mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden.

Moretto hat aber auch gleich einen Gegenvorschlag: «Sollen sie das Geld doch dort holen, wo es massig vorhanden ist!» 

Dividendenregen belasten statt Trinkgelder!

Eine Abgabenpflicht auf Kapitalgewinne prüft der Bundesrat nämlich nicht. Dabei läge das geradezu auf der Hand. Zum Beispiel bei den Dividenden. Schliesslich handelt es sich dabei doch quasi um das jährliche Trinkgeld der Aktionärinnen und Aktionäre.

Und zwar ein üppiges «Trinkgeld»! 2024 sackten die Aktienbesitzenden allein von den 30 grössten Schweizer Konzernen 46,6 Milliarden Franken ein! Und der Dividendenreport von CH Media zeigt, dass die Dividendenzahlungen seit 2010 um über 60 Prozent zugenommen haben. Eine Abgabe in der Grössenordnung, wie sie jetzt für das Trinkgeld im Raum steht, würde jährliche Einnahmen von 2,3 Milliarden Franken einbringen. Also über vierzig Mal mehr als durch Abgaben aufs Gastro-Trinkgeld.

Gäste würden weniger zahlen

Bereits 2021 machte SP-Nationalrätin Tamara Funiciello einen Vorstoss in diese Richtung. Konkret forderte sie die Unterstellung der Dividenden unter die Sozialversicherungspflicht. Dies nachdem die Unternehmenssteuerreform II bei der AHV zu Ausfällen von geschätzt zwei Milliarden Franken geführt hatte. Doch der Bundesrat lehnte ab. Begründung: «Das potentielle Substrat erscheint auf den ersten Blick beträchtlich. Es wäre aber damit zu rechnen, dass die Unternehmen wesentlich weniger Dividenden ausschütten würden als heute».

Wäre demnach in der Gastro nicht mit demselben Effekt zu rechnen? Doch, sagt Gastrosuisse-Ad-Interims-Chef Patrik Hasler-Olbrych:

Kunden werden tendenziell weniger Trinkgeld geben, wenn sie wissen, dass darauf Abgaben fällig werden.

Der Landesregierung scheint’s egal.

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