Verhandlungen um den Landesmantelvertrag
Berner Baubüezer stimmen sich auf den Kampf ein

Wie bereitet sich die Gewerkschaft eigentlich auf eine Verhandlung vor, von der sie weiss, dass es zäh wird? Die Unia Bern versucht es mit feurigen Reden und heissen Güggeli. Einblick in eine Mittagsagitation.

150 SIND GEKOMMEN: Bei einem Mittagessen stimmt die Unia die Büezer auf die LMV-Verhandlungen ein. (Foto: Unia)

Als der Applaus anschwillt, ist es der Gewerkschaft noch zu leise. «Ist das alles? Mehr geht nicht?», rufen die Leute von der Unia den Arbeitern entgegen. Gut 150 sitzen hier, vielleicht sogar ein paar mehr. Maurer sind gekommen, Strassenbauer auch. Viele Eisenleger hat es hier, neben ihnen: Kollegen aus dem Spezialtiefbau. Unter Zelten und Planen sitzt eine Heerschar von Arbeitern. Sie befinden sich direkt vor der grössten Baustelle Niederwangens, der grossen Grube, die später einmal ein Polizeizentrum werden soll. 
 
Wohlgemerkt: Vor, nicht auf der Baustelle sind die Kollegen zusammengekommen – gefreut hat es die dortige Bauleitung dennoch nicht. Zumal Arbeiter aus ganz Niederwangen zur Mittagszeit aufgekreuzt sind. Die 150 Anwesenden kommen von rund einem halben Dutzend Baustellen. Gegen 12 Uhr kamen sie an an, assen gemeinsam ihr Zmittag – Poulet und Härdöpfel, serviert vom Güggeliwagen. Jetzt geht es gegen ein Uhr, die Hitze lässt nicht nach, und dann noch die Stimmung, die sich aufheizt. «Ist das alles? Mehr geht nicht?» 

Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Der Landesmantelvertrag (LMV), einer der grössten GAV der Schweiz, wird erneuert. Für die 80’000 Beschäftigten des Bauhauptgewerbe geht es dabei um eine ganze Menge. Um die Löhne, zum Beispiel. Aber auch um Pausenzeiten, Spesen und allerlei Rechte, die den Arbeitern durch den LMV garantiert werden. Entsprechend wichtig ist die Vertragserneuerung auch für die Unia, die die Interessen der Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter vertritt. Kürzere Arbeitstage will die Gewerkschaft erreichen – und den Büezern damit eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen.
 
Anfang Juli sollen die Vertragsverhandlungen starten. Dann sitzen Unia und der Schweizerische Baumeisterverband am Tisch. Einfache Gespräche werden es wohl nicht; waren es auch noch nie. Zu unterschiedlich ist, was die Chefs gern hätten und was gut für die Arbeiter wäre. Entsprechend bereitet sich die Gewerkschaft schon jetzt auf einen heissen Herbst vor. Diverse Unia-Regionen lancieren zusammen mit den Arbeitern bereits Proteste. Motto: «Wir meinen es ernst.» So auch die Unia Bern.

Die Gretchenfrage

Zurück nach Niederwangen. An diesem Donnerstagmittag, in dieser Hitze, will es die Gewerkschaft wissen. Sind die Arbeiter bereit, im Zweifel für ihren LMV einzustehen? Minutenlang hatten die Leute von der Unia erklärt, dass allein am Verhandlungstisch noch selten etwas gewonnen worden sei. Dass die Chefs nicht so sehr Argumente verstünden, als vielmehr Arbeitsniederlegungen. «Wenn ihr nicht arbeitet, machen die kein Geld», so hatte es ein Unia-Sekretär ausgedrückt. Die Reaktion darauf: noch zögernd; der Applaus: entschieden unentschieden.
 
Doch dabei bleibt es nicht. «Ist das alles? Mehr geht nicht?» Diesmal kommt die Antwort prompt. Ein lautes Geschrei, ein enormes Klatschen von 300 Händen und damit ein Getöse, das über das ganze Areal des Polizeizentrums reicht – und sicher: bis zur Baracke der Bauleitung. Da lassen sich auch die Unia-Gewerkschafter mitreissen – und rufen ihrerseits:

Mit dieser Stimmung holen wir uns etwas. Mit dieser Stimmung bekommen wir die bezahlte Znünipause zurück und die bezahlte Reisezeit gleich mit.

Dass es gar so einfach nicht wird, weiss die Gewerkschaft selbst. Und auch, dass es einen grossen Unterschied zwischen einem gemeinsamen Essen und einem gemeinsamen Kampf gibt. Doch 150 an einem Tag aus einer doch eher kleinen Berner Ortschaft, sind ein guter Start in das, was eine kämpferische Verhandlung werden soll. Zumal die 150 nicht allein sind: am Mittwoch und Freitag dieser Woche kamen noch einmal 150 aus anderen Berner Gegenden zusammen. Ganz zu schweigen von dem, was die Unia zusätzlich in anderen Regionen organisiert. Etwa in Basel, wo an einem Tag 400 zusammengekommen sind.

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