Modebranche zur Nachhaltigkeit verpflichten
«Das ist Abfall-Kolonialismus»

Mehr, schneller, billiger – nach diesem Prinzip funktioniert die Modeindustrie. Wegwerfkleider wachsen zu riesigen Abfallbergen an – zum Beispiel in Ghana. Ein Schweizer Modefonds soll dieses kaputte System nun stoppen.

KRITISIERT DEN GLOBALEN NORDEN SCHARF: Yayra Agbofah sagt, dass der massenhafte Export von alten Kleidern nach Ghana nichts mit Wohltätigkeit zu tun habe. (Foto: The Revival / Montage: work)

Mitten in Accra, der Hauptstadt von Ghana in Westafrika, erhebt sich ein gewaltiger Berg aus Textilmüll. Er misst rund einen halben Kilometer vom einen Ende zum anderen und ist mehrere Stockwerke hoch. Sogar auf Google Maps ist die wilde Deponie deutlich zu erkennen.

GEWALTIG: Die Textilmüll-Deponie Mitten in der Hauptstadt von Ghana. (Foto: Google Maps)

Unmittelbar daneben liegt ein Wasserlauf. In jeder Regenzeit werden zig Tonnen Textilien ins Meer geschwemmt. An den Stränden von Accra ist stellenweise kein Sand mehr zu sehen, nur noch eine meterdicke Schicht von weggeworfenen und sich zersetzenden Kleidern.

Viel zu viele Kleider

Diese Kleider stammen aus dem globalen Norden. Ghana ist der weltgrösste Importeur von Secondhand-Textilien, jedes Jahr gelangen gegen 800 Millionen Kleidungsstücke ins Land. Das sind 23 pro Kopf der Bevölkerung. Der Sozialunternehmer Yayra Agbofah kritisiert diesen massenhaften Export in sein Land. Zwar verhelfe dies vielen Menschen zu günstigen Kleidern. Aber rund ein Viertel der Textilien werde nicht verwendet und lande in der Umwelt. «In Ghana fehlt eine geeignete Infrastruktur für das Recycling», so Agbofah im Magazin der Schweizer Non-Profit-Organisation Public Eye. Zum Beitrag geht es über diesen Link.

Dass reiche Länder ihre alten Kleider in Länder wie Ghana entsorgen, sei keine Wohltätigkeit, so Agbofah:

Sie wälzen die ökologischen Kosten ihres Konsums auf andere ab. Das ist Abfallkolonialismus.

Erfolg mit Upcycling

Der Müllberg in Accra ist buchstäblich das Abfallprodukt des ebenfalls riesigen Kleidermarkts Kantamanto ganz in der Nähe. Rund 15’000 Menschen verdienen dort ihren Lebensunterhalt mit Verkauf und Reparatur der Secondhand-Ware aus dem Norden. Agbofah hat im Markt 2018 die Organisation The Revival gegründet. Sie bringt Händlerinnen und Händlern bei, wie sich ausrangierte Kleider zu wertvollen Stücken verarbeiten lassen – sogenanntes Upcycling. In der Zeitschrift «Reportagen» berichtet der Unternehmer vom positiven Echo seiner Landsleute:

Es ist keine schwierige Sache, es macht Spass und ist höchst kreativ. Die Leute lieben es.

Selber rezyklieren

Doch das Textilmüll-Problem, sagt Agbofah, müsse dort gelöst werden, wo es entstehe. Also in Europa, den USA und in Asien. Der globale Norden müsse erstens aufhören, minderwertige Kleidung aus Material wie Polyester zu produzieren. Und zweitens mehr Kleider lokal sammeln und selber rezyklieren, statt sie nach Afrika zu schicken.

Genau dazu will Public Eye jetzt die globale Modeindustrie zwingen. Denn die letzten Jahre haben gezeigt: Freiwillige Initiativen der Branche bringen nichts. Also braucht es jetzt einen obligatorischen Fonds. Die Idee: Modefirmen zahlen für jedes neue Kleidungsstück einen Beitrag in den Fonds ein. Je nachhaltiger ein Produkt ist, desto geringer ist der Beitrag. Mit dem Geld finanziert der Fonds günstige Reparaturen, mehr Secondhand-Angebote, hochwertiges Recycling und nachhaltige Produktion. Der Fonds wirkt also doppelt: Er macht das Fast-Fashion-Geschäftsmodell mit Wegwerfkleidern weniger attraktiv und fördert gleichzeitig die Kreislaufwirtschaft in der Schweiz.

Den Beruf aufwerten

Mit einer Petition fordert Public Eye jetzt vom Bundesrat, den Fonds zu schaffen. Auch die Unia unterstützt die Petition. Anne Rubin, Co-Leiterin Detailhandel bei der Unia, sagt:

Eine nachhaltige Mode liegt auch im Interesse der Verkäuferinnen und Verkäufer: weniger Abfall, fairere Produktion, zufriedene Kundschaft und eine Aufwertung des Berufs.

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