Jean Ziegler ‒ la suisse existe
Tödliche Schätze

Jean Ziegler

Jean Ziegler

Kurz vor seiner Ermordung durch den belgischen Geheimdienst schrieb der kongolesische Befreiungsheld Patrice Lumumba einen Brief an seine «geliebte Gefährtin» Pauline: «Meine Person ist unwichtig. Ich weiss, dass der Tag kommen wird, da sich das Volk von Kongo wie ein Mensch erhebt und diesem erniedrigenden Kolonialismus ein Ende macht.»

Lumumba, der erste Regierungschef des freien Kongo, wurde 1960 auf Befehl der USA abgesetzt und den Mördern ausgeliefert. Seine Vision eines geeinten Kongo, das über sein eigenes Schicksal bestimmt, hat sich nicht erfüllt. Das Kolonialsystem (zuletzt unter Belgien) ist durch ein globales Imperium kapitalistischer Riesen­konzerne und ihrer politischen Söldner ­abgelöst worden.

Bluterden für Handys

Der Fluch des riesigen Landes (56 Mal die Schweiz) ist sein immenser Reichtum. Auf seine ­Plünderung sind bedeutende Teile des europäischen und US-amerikanischen Kapitalismus gebaut. Zuerst war die Sklaverei. Dann der Gummi-Boom. Öl, Kupfer, Gold, Diamanten, Uran und Plutonium für Strom und Bomben (Hiroshima). Jetzt die «Bluterden»: Kobalt, Tantal, Wolfram, Platin usw. für Smartphones, Batterien, Computer, Teslas. Wahrscheinlich ist Kongo das einzige Land der Welt, in dessen Boden ­sämtliche strategischen Stoffe der ­digitalen Welt stecken. Die USA fördern 500 Tonnen Kobalt, Kongo 100 000 Tonnen.

Trump mischt mit

Die Methode des Kapitals, seinen Zugriff auf diese Stoffe zu sichern, ist der Bürgerkrieg. Über korrupte Eliten kam es immer wieder zu Umstürzen und Kriegen, besonders im rohstoffreichen Osten Kongos, zu den grossen Seen hin, der Wiege der ­Menschheit. Bisher starben in diesen Kriegen mindestens sechs Millionen Menschen. Als 1997 der mörderische Diktator Sese Seko Mobutu vertrieben wurde, hatte er auf Schweizer Bankkonten und anderswo 5 Milliarden Dollar gebunkert.

Heute brennt Kongo erneut. Im Januar hat die Rebellenarmee M 23 die beiden Kivu-Provinzen im Osten erobert, mit Unterstützung rwandischer Militärs. Denen geht es nach dem rwandischen Genozid von 1994 (1 Million Tote) auch um Sicherheit. In Kivu werden etwa 20 Prozent der Weltproduktion des Coltan-Erzes abgebaut. Deshalb fordert die Regierung von US-Präsident Donald Trump den Abzug der M 23. Der Skandal: Die US-Techno-Oligarchen haben Kongo ins Fadenkreuz genommen.

Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein 2020 im ­Verlag Bertelsmann (München) erschienenes Buch Die Schande Europas. Von Flüchtlingen und Menschenrechten kam im Frühling 2022 als Taschenbuch mit einem neuen, stark erweiterten Vorwort heraus.

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.