Ratgeber
Muss ich nach dem Feierabend erreichbar sein?

Die Erholung nach ­Feier­abend ist wichtig für das Wohlbefinden und die Gesundheit. Wer von ­seinen Vorgesetzten ständig ­Anrufe ausserhalb der Arbeitszeit bekommt, sollte sich wehren – und den ­Arbeitsvertrag genau lesen.

WENN DER CHEF AM ABEND ANRUFT: Arbeitnehmende sind nicht verpflichtet, ausserhalb der Arbeitszeit ständig erreichbar zu sein. (Foto: iStock)

Hans Stucki (48) hatte einen langen Tag. Bei der Arbeit war viel los, er hat sogar noch Überstunden gemacht, um einen Auftrag abzuschliessen, und nun, kaum zu Hause angekommen, ruft sein Chef an. Das tut er regelmässig nach Feierabend oder auch während der Ferien. Dadurch fällt es Hans Stucki schwer, abzuschalten und sich von der Arbeit zu erholen. «Ich fühle mich, als wäre ich immer auf Abruf», erzählt der Bodenleger. Dabei gehe es oft um Kleinigkeiten, die gut bis zum nächsten Arbeitstag warten könnten, so Stucki. Doch ist das überhaupt erlaubt? Dürfen Angestellte während der Freizeit angerufen werden?

Würde Hans Stucki in Australien leben, wäre die Sache klar: Seit August 2024 haben Angestellte ausserhalb der Arbeitszeit ein Recht auf Nichterreichbarkeit. Das heisst: Es ist Chefinnen und Chefs zwar nicht grundsätzlich verboten, Mitarbeitende zu kontaktieren, jedoch müssen diese nicht auf Anrufe, SMS oder Mails reagieren. Ziel des neuen Gesetzes ist es, unbezahlte Überstunden zu verringern und die psychische Gesundheit der Arbeitnehmenden zu schützen und zu fördern. Die Reform solle sicherstellen, «dass Menschen, die nicht 24 Stunden am Tag bezahlt werden, auch nicht 24 Stunden am Tag arbeiten müssen», sagte Premierminister Anthony Albanese.

Erwartungen

Nicht nur in Australien, auch in der Schweiz herrscht in vielen Betrieben seitens der Vorgesetzten die Erwartung, nach Feierabend erreichbar zu sein, sei es per Mail, per Telefon oder beides. In der Schweiz gibt es zwar kein Recht auf Nichterreichbarkeit. Dennoch gilt der Grundsatz, dass Arbeitnehmende nur während der Arbeitszeit verfügbar sein müssen.

Ob und in welchem Mass eine Mitarbeiterin auch nach Feierabend erreichbar sein muss, macht das Schweizer Arbeitsgesetz vom Einzelfall abhängig: von der Position und Stellung der Person – und ­davon, was dazu im Arbeitsvertrag festgehalten wurde. Handelt es sich um eine Kaderposition oder um eine dringliche Angelegenheit, die nicht bis zum nächsten folgenden Arbeitstag warten kann, ist es grundsätzlich zulässig, dass Vorgesetzte eine Erreichbarkeit für dringende Fälle einfordern. Allerdings muss es sich auch hier um eine Ausnahme handeln. Ständige Anrufe während der arbeitsfreien Zeit müssen Sie sich nicht gefallen lassen! Ausserdem: Ist die Verpflichtung, auch ausserhalb der Arbeitszeit erreichbar zu sein, vertraglich geregelt, muss dies entschädigt werden.

Falls Ihre Arbeitszeiten im Vertrag nicht festgelegt sind und es auch keine festen Präsenzzeiten im Betrieb gibt, ­gelten in jedem Fall die gesetzlichen Vorschriften über Ruhezeiten, Nachtarbeit und Pausen.

Klärendes Gespräch

Hans Stucki hat mit seinem Chef das Gespräch gesucht und ihn auf seine Rechte aufmerksam gemacht. Daraufhin hat sich die Situation gebessert, und der ­Bodenleger erhält nach Feierabend nur noch Anrufe, wenn es wirklich dringlich ist.


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