Leere Versprechen, faule Tricks und fristlose Kündigungen

Der HC Davos sportlich und fair? Na ja  …

Christian Egg

In den Restaurants des Hockey-­Clubs Davos herrschen raue Sitten. Gleich mehrere ­Mitarbeiterinnen wurden wegen Kleinigkeiten fristlos abserviert. Semira Khadra hat sich mit der Unia erfolgreich gegen die ­Willkür gewehrt.

ENTTÄUSCHT: Manuela Bearth (rechts) und Semira Khadra vor dem «Time-out», einem Restaurant des HC Davos, wo beide als Service-Fachkräfte schlechte Erfahrungen mit dem Hockey-Club als Arbeitgeber gemacht haben. (Foto: Stephan Bösch)

Eishockey gilt als rauer Sport. Harte Checks, wüste Beschimpfungen, ausgeschlagene Zähne – das sind die Spieler gewohnt. Doch beim Hockey-Club Davos herrscht auch neben dem Eis ein raues Klima. In den Restaurants des Traditionsvereins gehen die Verantwortlichen weder zimperlich noch fair mit Mitarbeitenden um. So berichten es mehrere ehemalige Arbeitskräfte, mit denen work gesprochen hat.

Eine von ihnen ist Manuela Bearth. Fast 20 Jahre hat sie als Servicekraft in den beiden HCD-Restaurants gearbeitet, dem «1921» im Stadion und dem ganzjährig offenen «Time-out» gleich daneben. Mehrere Jahre war sie Vollzeit tätig, seit September 2023 wieder als Aushilfe. Bis sie Ende Dezember aus heiterem Himmel entlassen wurde. Fristlos. Warum, das weiss sie bis heute nicht genau.

DIE SCHNAUZE VOLL

An die Ereignisse des Abends erinnert sich die 50jährige genau. Gegenüber work hat eine ­weitere Person, die Zeugin des Vorfalls wurde, ­Bearths Schilderung bestätigt. Anlass war demnach eine Lappalie: ein mobiles Gerät zum Aufnehmen der Bestellungen. Davon gebe es bei voller Besetzung eins zu wenig, so Bearth. Deshalb habe sie an diesem Abend eine Kollegin gefragt, ob sie denn das «Grätli» brauche. «Worauf sie mich anpflaumt, sicher brauche sie das, sie habe viel mehr Gäste zu bedienen. Da sage ich: Okay, aber dann arbeitest du nur damit und ich nur mit der Kasse, damit es kein Puff gibt.»

Für Bearth ist die Sache damit geklärt. Zu einem Streit sei es nicht gekommen, betont sie. Doch sie vermutet, dass sich die Kollegin beim Chef, dem Leiter Gastronomie des HCD, über sie beklagt habe. Denn keine zwei Minuten später sei dieser auf sie zugekommen. «Er hat mich vor allen Gästen lautstark angefahren. Er habe die Schnauze voll von mir, ich solle verreisen und nie mehr kommen.» Ungläubig habe sie sich an ihre Arbeitskolleginnen gewandt, so Bearth. Eine von ihnen habe den Chef zur Vernunft bringen wollen. «Doch sie konnte knapp zwei Worte sagen, da fuhr er ihr übers Maul und hat ihr ebenfalls gleich fristlos gekündigt.»

FRISTLOS: NUR AUS «WICHTIGEN GRÜNDEN»

Damit verloren die beiden Frauen von einem Tag auf den anderen ihr Einkommen. Denn bei fristloser Kündigung entfällt der Anspruch auf Lohn bis Ende Kündigungsfrist – bei den HCD-Aushilfen beträgt diese einen Monat. Allerdings: Ob das Vorgehen des Clubs zulässig war, ist zumindest fraglich. Denn ein Betrieb darf Mitarbeitende laut Gesetz nur aus «wichtigen Gründen» fristlos entlassen. Dazu gehören etwa Straftaten oder Tätlichkeiten am ­Arbeitsplatz.

EINE KÜNDIGUNG, DIE KEINE WAR

Gut einen Monat vor Manuela Bearth hat der HCD auch die Serviceaushilfe Semira Khadra frist- und stillos abserviert. Auch bei ihr spielt der Leiter Gastronomie eine zentrale Rolle: Am 11. November 2023, einem Samstag, sei der Service im Stadion-Restaurant «total in die Hose» gegangen, sagt Khadra. «Irgendwann waren wir alle sauer.» Als dann noch zwei Kolleginnen vor den Gästen anfingen zu streiten, sei ihr der Kragen geplatzt: «Ich sagte dem Chef, er solle diesen beiden bitte einen Maulkorb anlegen. Er gab zurück, er sei im Fall immer noch mein Chef.»

Die 48jährige schluckt ihren Ärger herunter. Am Ende der Schicht gibt sie das ausgeliehene Münz und den Schlüssel für die Service-Schublade zurück und geht nach Hause. Doch bevor sie ihren nächsten Einsatz hat, schreibt ihr der HCD: «Anhand der Deponierung Ihres Stockgeldes und des Schlüssels anerkennen wir Ihre fristlose Kündigung.» Das heisst auch für sie: ab sofort keinen Lohn mehr. Sie sei völlig baff gewesen, sagt Khadra. Dass sie Schlüssel und Münz abgegeben habe, sei nichts Aussergewöhnliches, sie habe damit nicht kündigen wollen. Sie versucht den Gastroleiter und die Cheffe de service zu erreichen. Beide gehen nicht ans Telefon. Noch heute kann sie nicht fassen: «So geht man doch nicht mit Menschen um!»

«EIN SPORTLICHER UND FAIRER VEREIN»

Die drei Frauen wollen die Ungerechtigkeit des Sportvereins nicht hinnehmen. Khadra sucht das Gespräch mit dem HCD-Finanzchef. «Er sagte mir: Der HCD ist ein sportlicher und fairer Verein. Wir finden eine Lösung.» Bearth und die mit ihr entlassene Kollegin sprechen bei Marc Gianola vor, CEO des Clubs. Auch sie stossen vermeintlich auf Verständnis. Bearth: «Er hat uns angehört und meinte dann: Eine fristlose Entlassung, das gehe schon nicht. Er kümmere sich um die Sache.»

Leere Versprechen. Sowohl Khadra als auch Bearth sagen, nach dem Gespräch hätten sie keinen Lösungsvorschlag des HCD erhalten. Ma­nuela Bearth ist fassungslos: «Den Spielern zahlt der Verein Tausende von Franken im Monat. Wenn einer neu kommt, suchen sie ihm eine Wohnung und kaufen ihm die ganze Einrichtung neu. Aber uns im Restaurant behandeln sie wie den letzten Dreck!»

Der HCD schreibt auf Anfrage, er bestreite «sämtliche Vorwürfe». Man sei aber «stets bereit, Vorschläge für eine Einigung zu prüfen und Lösungen zu finden». Weitere Fragen von work hat er nicht beantwortet, mit Verweis auf «Daten- und Persönlichkeitsschutz».

IMMERHIN: JETZT ZAHLT DER HCD

Auf stur schaltet der HCD anfänglich auch ­gegenüber der Unia. Als die Gewerkschaft im Namen von Mitglied Semira Khadra den Club kontaktiert, beharrt dieser zuerst auf seinem Standpunkt und erteilt Khadra sogar Hausverbot. Bis Lukas Auer von der Unia Ostschweiz-Graubünden zum Telefon greift. Er sagt: «Im Gespräch wurde klar, dass der HCD offen ist für ­einen Kompromiss.» Und tatsächlich: Kurz vor Redaktionsschluss unterschreiben Khadra und der HCD einen Vergleich. Alle Streitpunkte werden beigelegt. Khadra akzeptiert, dass das Arbeitsverhältnis im November aufgelöst wurde. Der HCD bezahlt ihr nachträglich anderthalb Monatslöhne als Entschädigung.

Ja, Hockey ist ein rauer Sport. Aber auch hier gibt es Regeln. Und manchmal braucht es einen Schiedsrichter, der dafür sorgt, dass sich alle dran halten.

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