Rostige Sozialpartnerschaft

95 Stellen gestrichen: Massenentlassung bei Stahl Gerlafingen!

Iwan Schauwecker

Stahl Gerlafingen schliesst eine ihrer beiden Produktionsstrassen und baut 95 Stellen ab. Die Unia kritisiert die Firmenleitung wegen der unseriösen Zusammenarbeit im Rahmen den Konsultationsverfahrens und fordert die Anwendung des bestehenden Sozialplans.

UNRUHIGE ZEITEN: Stahl Gerlafingen streicht 95 Stellen und zeigt sich als schlechter Sozialpartner. (Foto: Keystone)

Das Stahlwerk in Gerlafingen will die Produktion von Stahlträgern per Ende Mai definitiv einstellen, 95 Stellen streichen und 68 Personen entlassen. Das teilte das Unternehmen, das im Besitz der italienischen Beltrame-Gruppe ist, heute morgen gegenüber ihren Mitarbeitenden mit. Die Unia kritisiert, dass die Firmenleitung im Rahmen des Konsultationsverfahrens wichtige Informationen nur zögerlich oder gar nicht lieferte. Die Personalkommission hatte keinen Einblick in entscheidende Geschäftszahlen des Stahwerks und in den strategisch wichtigen Briefwechsel des Unternehmens mit Bundesrat Rösti. Ausserdem verreiste der Stahlwerk-CEO Alain Creteur in die Ferien und war nicht erreichbar. Matteo Pronzini, leitender Industriesekretär der Unia, sagt: «Die Firmenleitung von Gerlafingen nimmt ihre soziale Verantwortung in dieser kritischen Situation überhaupt nicht wahr.»

FEHLENDER WILLE ZUR SOZIALPARTNERSCHAFT

Für die Belegschaft bleibt weiterhin unklar, wer alles von den Entlassungen betroffen sein wird und wie es um die finanzielle Lage der übrigen Produktionseinheiten des Betriebs steht. Die Firma ignoriert bisher ihre sozialpartnerschaftlichen Verpflichtungen und will die betroffenen Mitarbeitenden offenbar möglichst schnell loswerden. Pronzini sagt: «Stahl Gerlafingen will nicht einmal den bestehenden Sozialplan anwenden, der weitreichende Möglichkeiten für Frühpensionierungen vorsieht.» Er fordert, dass dieser Sozialplan die Grundlage für Umstrukturierungen des Betriebs bildet. So könnten etwa ältere Mitarbeitende aus dem Betrieb frühpensioniert und durch Personen ersetzt werden, die bisher in der Produktionsstrasse arbeiten, die nun stillgelegt wird.

DESTRUKTIVE HALTUNG VON STAHL GERLAFINGEN

Als wichtiger Arbeitgeber der Region und systemrelevanter Recyclingbetrieb sollte das Unternehmen auch verantwortungsvoll geführt werden. Entsprechend wichtig wäre auch eine gute Zusammenarbeit mit der Personalkommission und den Gewerkschaften. Im Jahr 1937 unterzeichnete Ernst Dübi, der damalige Direktor des Stahlwerks Gerlafingen und Präsident des Arbeitgeberverbandes der MEM-Industrie, die historische Vereinbarung zur Sicherung des Arbeitsfriedens in der Maschinen- und Mettallindustrie. Mit ihrer destruktiven Haltung gefährdet die Leitung von Stahl Gerlafingen heute nicht nur die Zukunft der Schweizer Stahlindustrie, sondern auch historischen soziale Errungenschaften in der MEM-Industrie.


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