Die Mitgliederentwicklung der Unia ist beinahe stabil

«Viele Coop-Verkäuferinnen sind stolz, Mitglied zu sein»

Anne-Sophie Zbinden

Die Unia zählte letztes Jahr 174 450 Mitglieder. Zulegen konnte sie in Dienstleistungberufen.­ Unia-Dienstleistungschefin Véronique ­Polito sagt, warum.

Véronique Polito: Zuwachs in der Dienstleistungsbranche. (Foto: Manu Friederich)

work: In den letzten Jahren waren die Mitgliederzahlen rückläufig. Hat die Unia jetzt die Trendwende geschafft?

Véronique Polito: Ja, in einigen Regionen sind wir tatsächlich so weit. Zum Beispiel im Wallis. In der gesamten Unia ist die Entwicklung beinahe stabil. Die Differenz gegenüber dem Vorjahr beträgt nur noch 0,47 Prozent.

Was hat zu diesem guten Resultat geführt?

Wir haben in den letzten Jahren unsere Arbeit in den Betrieben intensiviert, wir sind dort präsenter. Und wir haben insbesonde­­re in der Dienstleistungsbranche bessere Netzwerke von Vertrauensleuten bilden können. Das zeigt, dass sich systematische und fokussierte Arbeit auf dem Terrain lohnt. Und es war das erste Jahr seit Covid, in dem nicht mehr die Pandemie im Vordergrund stand. Wir konnten uns wieder unseren Kernthemen Kaufkraft, Lohn und Renten ­widmen.

In der wichtigen Dienstleistungsbranche konnte die Unia um 1,4 Prozent zulegen, das sind 715 neue Mitglieder. Wie können Sie diesen Erfolg erklären?

Es gibt im Dienstleistungsbereich ein riesiges Bedürfnis, die Bedingungen zu verbessern. In vielen Berufen dieser Branche arbeiten hauptsächlich Frauen, und die Löhne sind sehr tief. Zum Beispiel im Verkauf oder im Gastgewerbe. In der Pflege ist es nicht nur eine Frage der Löhne, sondern auch von Überlastung, Stress und Personalmangel. Viele Leute in diesen Branchen haben das Bedürfnis und die Bereitschaft, ihre Situation zu verbessern. Und durch Covid haben sie mehr Selbstbewusstsein gewonnen, weil sie gemerkt haben, wie wichtig sie für die Gesellschaft sind.

Auch im Detailhandel konnte die Unia um insgesamt 1,5 Prozent wachsen.

Ja. Insbesondere bei Coop ist es uns gelungen, ein neues und starkes Netzwerk von Vertrauensleuten aufzubauen. Zum ersten Mal haben wir es geschafft, dass sich die Vertrau­ensleute wirklich in die Verhandlungen aktiv einbringen konnten. Zusammen hatten sie den Mut, Forderungen zu stellen. Es hat mich sehr beeindruckt, wie sie nach den sehr erfolgreichen Verhandlungen vor die Kameras gestanden sind und über das Resultat berichtet haben. Sie waren sichtbar stolz, Unia-­Mitglieder zu sein (siehe Seite 4 unten, die Red). Das zeigt: Wenn man zusammen fordert, kann man mehr ­erreichen.

Neu sind 27,6 Prozent der Mitglieder Frauen, das ist ein Rekord. Ist das eine Folge des Frauenstreiks?

Klar! Die Frauenstreikbewegung hat dazu geführt, dass wir mehrheitlich in Frauenbranchen zulegen konnten. Wir haben in den ­Betrieben sehr spezifisch Frauen­themen angesprochen. Das hat auch geholfen, die Frauen in den Betrieben zu organisieren. Weil sie gesehen haben, dass es viele Frauen gibt, die in der gleichen ­Situation sind wie sie. Ein Beispiel aus der Logistik: Beim Logistik-­Unternehmen Ceva gab es rund um den Frauenstreik eine Bewegung. Das hat schliesslich dazu geführt, dass die Ceva-Mitarbeitenden Ende 2023 zum ersten Mal ­einen 13. Monatslohn bekommen haben.

Bei ihrer Gründung 2004 setzte sich die Unia zum Ziel, die Menschen in den Dienstleistungsberufen zu organisieren. Ist dieses Ziel jetzt erreicht?

Wir wollten damals, dass sich ­die Unia im Dienstleisungssektor ­einen Namen macht. Das haben wir sicher erreicht. Heute haben wir in diesem Sektor über 53 000 Mitglieder. Und: Im Detail- und Onlinehandel, im Gastro-Bereich und immer mehr auch in der Langzeitpflege werden wir zu­nehmend als Gewerkschaft wahrgenommen, die man nicht mehr ignorieren kann. Wir müssen in diesen Bereichen aber noch stärker werden, um die Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern.


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