Verband drückt sich vor GAV-Verhandlungen

Pharma-Assistentin Fanny Hostettler lässt sich das Verhalten der Patrons nicht bieten

Christian Egg

Fort mit den Tieflöhnen, her mit einem GAV – das fordern die Pharma-Assistentinnen und -Assistenten im Kanton Waadt. Dass sich die Patrons jetzt quer stellen, macht sie hässig. Aber nicht mutlos.

GIBT NICHT AUF: Pharma-Assistentin Fanny Hostettler wird sich weiter dafür einsetzen, dass sie und ihre Berufskolleginnen und -kollegen einen GAV erhalten. (Foto: zvg)

Nein, mit dieser Antwort sind sie nicht zufrieden. Seit über vier Jahren kämpfen die Pharma-Assistentinnen und -Assistenten im Kanton Waadt für bessere Löhne, für einen 13. Monatslohn, für eine Woche mehr Ferien. Das und mehr soll in einem kantonalen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) geregelt werden. Über 700 von ihnen unterstützten in einer Unia-Umfrage diese Forderungen – ganze 80 Prozent der Mitarbeitenden in der Branche!

Ende des letzten Jahres nahm endlich der Waadtländer Apothekerverband dazu Stellung. Zwar sprach dessen Präsident davon, den Beruf «aufzuwerten». Lehnte aber Verhandlungen zu einem GAV ab. Nur zu einer Empfehlung konnte sich der Verband durchringen: Seine Mitglieder sollten doch bitte ab diesem Jahr mindestens 4300 Franken Lohn zahlen.

«VÖLLIG UNGENÜGEND»

Als Präsidentin des Branchenkomitees koordiniert die Pharma-Assistentin Fanny Hostettler den Einsatz ihrer Berufskolleginnen und -kollegen. Die Unia unterstützt sie dabei. «Völlig ungenügend» sei die Reaktion des Verbands, sagt die 28jährige. Kein Wort von einem 13. Monatslohn oder mehr Ferien. Und vor allem: «Nur ein GAV wäre für alle verbindlich, und nur dann gäbe es auch Kontrollen!»

Heute weiss deshalb niemand, ob sich die Apotheken im Kanton an die Lohnempfehlung des Verbands halten. Hostettler sagt: «Selbst wenn – für Leute mit Berufserfahrung und viel Weiterbildung sind 4300 immer noch zu wenig.» Sie selbst sei ein gutes Beispiel: Ihr Lohn liegt bei 4800 Franken, 12mal ausbezahlt – «und das nach zehn Jahren im Beruf! Das kann es doch nicht sein.»

DER BRANCHE LAUFEN DIE LEUTE DAVON

Kein Wunder, so Hostettler, wechselten viele zu einer Versicherung oder einer Krankenkasse. Dort sei ihr Wissen sehr gefragt und die Löhne deutlich besser. Während die Apotheken über Fachkräftemangel klagten. Ein GAV wäre das beste Mittel dagegen, sagt sie: «Eine unserer Hauptforderungen ist eine Lohnskala, die Erfahrung und Weiterbildung berücksichtigt. So könnte die Branche die guten Leute halten.»

Von alledem will der Apothekerverband bisher nichts wissen. Besonders hässig macht die Berufsleute, wie die Patrons ihr «non» begründen. Nämlich so: Weil die Politik ständig versuche, die Gesundheitskosten und damit die Medikamentenpreise zu drücken, sei die künftige Ertragslage der Apotheken unsicher. Man wolle sich Handlungsspielraum bewahren, und mit einem GAV gehe das nicht. Giorgio Mancuso von der Unia Waadt ist entsetzt: «Die Apotheker sehen also die tiefen Löhne nur als Manövriermasse, um ihre Profite zu sichern!» Der Verband zeige hier sein wahres Gesicht: «Bei dieser Haltung noch zu sagen, man wolle den Beruf aufwerten – das ist nicht redlich.»

NUR EIN VORWAND

Weiter findet der Verband, GAV-Verhandlungen seien «nutzlos», da im Kanton Waadt kürzlich zwei Initiativen für einen Mindestlohn von 23 Franken pro Stunde eingereicht worden seien. Nur ein Vorwand, kontert Unia-Mann Mancuso: «Bis zur Abstimmung geht es noch mehrere Jahre, und wie das Volk entscheidet, wissen wir heute nicht.» Dann schmunzelt er und ergänzt: «Aber es freut mich, dass sich der Apothekerverband de facto für unsere Initiativen ausspricht. Wir werden diesen neuen Verbündeten gerne im Abstimmungskampf um Unterstützung bitten.»

Fanny Hostettler und ihre Mitkämpferinnen und -kämpfer warten nicht so lange. Schon auf den 31. Januar haben sie eine Vollversammlung der Beschäftigten einberufen. Da wollen sie entscheiden, wie es weiter geht. Teilnehmen wird auch SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard. In einer Videobotschaft kritisiert er, dass die Arbeitgeber nicht einmal verhandeln wollen: «Das zeugt von einem Mangel an Anerkennung für diese wichtige Arbeit.»

Der Ärger darüber, berichtet Fanny Hostettler, habe noch mehr Leuten klar gemacht, dass sie sich wehren müssten: «Wir machen weiter. Und wir haben noch ein paar Trümpfe in der Hand.» Vielleicht brauche es auch einen Streik, um dem GAV zum Durchbruch zu verhelfen, lässt sie durchblicken. Klar, das müsste man gut vorbereiten, damit dann auch alle mitziehen. «Aber ich wäre auf jeden Fall dabei.»


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