Viel Verantwortung, wenig Lohn: Das will Pharma- Assistentin Pamela Silva Barrientos (26) ändern

«Wir verkaufen Medis, keine Täfeli»

Darija Knežević

In Lausanne bereiten sich die Frauen auf den grossen Streik vom 14. Juni vor. Mit dabei: Pharma-Assistentin Pamela Silva Barrientos. Sie verlangt höhere Branchenlöhne – und einen GAV gleich mit dazu!

MEHR WERTSCHÄTZUNG! Unia-Mitglied Silva steht auf gegen schlechte Löhne, Drohungen und sexuelle Belästigung. (Foto: Henrik Olofsson)

«Es fehlt die Wertschätzung für unseren Beruf!» sagt Pharma-Assistentin Pamela Silva Barrientos. Seit fast zehn Jahren arbeitet sie in einer Apotheke. Zuerst drei Jahre als Lernende und nun seit über sechs Jahren als ausgebildete Berufsfrau. An den schlechten Arbeitsbedingungen in ihrer Branche ändert sich aber seit Jahren nichts. Besonders viele junge Frauen sind als Pharma-Assistentinnen tätig, unter miserablen Umständen. Für Silva besonders ärgerlich: «Für das, was wir leisten, verdienen wir schlicht zu wenig!» Denn: ihre Arbeit bringt enorm viel Verantwortung mit sich. «Wir verkaufen Medikamente, keine Täfeli. Passiert uns ein Fehler, kann das richtig gefährlich werden», sagt die 26jährige.

work trifft die Pharma-Assistentin an einem stürmischen Nachmittag im Stadtkern von Lausanne. Genauer gesagt, auf der Place du 14-Juin, dem Platz des 14. Juni. Die ehemalige Place Saint-Laurent wurde vor zwei Jahren umbenannt und erinnert seither an den ersten grossen Frauen­streik vom 14. Juni 1991. Eine Kirche, Restaurants, Kleidergeschäfte sowie eine Apotheke grenzen an den Platz. In einer ähnlichen Apotheke arbeitet auch Silva. Zum Treffen erscheint sie aber nicht im weissen Arbeitskittel, sondern in ihren schwarzen Alltagskleidern. Doch Silva ist auch ausserhalb der Apotheke passionierte Pharma-Assistentin. «Ich liebe den Beruf, aber es muss sich einiges ändern», sagt sie.

«Ich liebe meinen Beruf, aber es muss sich einiges ändern.»

HÖHERER EINSTIEGSLOHN

Nach Silvas Lehrabschluss lag der Einstiegslohn ­­bei 3800 Franken brutto. Zwölfmal im Jahr. Dabei müssen die Pharma-Assistentinnen einiges auf dem Kasten haben. Sie beraten die Kundschaft zu diversen Beschwerden – sei es ein Hautausschlag, ein kratziger Hals oder eine fiese Pollenallergie. Doch das ist längst nicht alles. Sie kümmern sich zudem um die Medikamentenbestellungen, die Rezepte der Kundinnen und Kunden sowie um diverse Büroarbeiten wie Rechnungen schreiben oder Lieferungen koordinieren.

Silva jedenfalls fand ihren Einstiegslohn ungerecht tief. Dagegen hat sie sich in harzigen Lohngesprächen gewehrt. Heute ist sie mit ihrem Lohn zufrieden, doch für viele ihrer Berufskolleginnen bleibt die tiefe Entlöhnung eine Last. Deshalb sind die Forderungen der Pharma-Assistentinnen für den Frauenstreik am kommenden 14. Juni klar: «Wir fordern einen Einstiegslohn nach der Lehre von 4300 Franken plus einen 13. Monatslohn. Und zwar für alle!»

FÜR EINEN KANTONALEN GAV

Dafür kämpfen die Pharma-Assistentinnen im Kanton Waadt gemeinsam. Nach dem Frauen­streik 2019 schloss sich ein Komitee aus Berufsleuten zusammen. Und dieses steckte sich ein hohes Ziel: ­einen kantonalen Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Es wäre ein historischer Durchbruch. Noch nie gab es einen flächendeckenden GAV für Pharma-Assistentinnen – weder kantonal noch national. Lediglich ein paar wenige Betriebe haben mit Gewerkschaften Verträge abgeschlossen. Aber ein Branchen-GAV, der gleiche Regeln für alle etabliert, fehlt. Für Silva ein unhaltbarer Zustand: «Ein GAV würde nicht nur unsere Löhne und unsere Arbeitsbedingungen verbessern, sondern auch das Image des Berufs. Und wir würden auch endlich mehr Wertschätzung bekommen.»

Ein GAV ist aber nicht leicht gemacht. Und Silvas Komitee hat mit einer zusätzlichen Herausforderung zu kämpfen: der hohen Fluktuation. Viele der jungen Frauen verlassen den Beruf, weil die Löhne auch nach Jahren tief bleiben und das Weiterbildungsangebot nur begrenzt ist. Wer zum Beispiel zur Apothekerin aufsteigen möchte, muss ein langes Pharmaziestudium auf sich nehmen. Das wirkt sich auch im gewerkschaftlichen Engagement aus: Im Komitee kommt es zu vielen Wechseln. Davon lässt sich Silva aber nicht entmutigen. Es sei ihr ein Anliegen, den Beruf und die Bedingungen zu verbessern.

«JEDE FRAU ZÄHLT!»

Schliesslich sind die tiefen Löhne nicht das einzige Problem. Pharma-Assistentinnen erleben bei ihrer Arbeit immer wieder Respektlosigkeiten. Silva erzählt: «Es gibt aggressive Kundinnen und Kunden. Bei der Arbeit werden wir bedroht oder erleben Sexismus.» Erst kürzlich habe es eine Berufskollegin getroffen. Ein Kunde habe sie nach Feierabend in der Apotheke abgepasst und sexuell belästigt.

Und auch in den Apotheken selbst komme es regelmässig zu Zwischenfällen: «Wenn zum Beispiel ein Medikament fehlt, werden wir bedroht oder beleidigt.» Das muss endlich aufhören, fordern Silva und ihr Komitee. Damit der Frauen­streik am 14. Juni richtig gross wird, rührt Silva fleissig die Werbetrommel. Sie sagt: «Ich ermutige alle Pharma-Assistentinnen, sich beim nächsten Unia-Büro zu melden und den Streik mitzugestalten. Jede Frau zählt!»

Im Unia-Video-Countdown erzählen die Pharma-Assistentin Silva und weitere Berufsfrauen aus der ganzen Schweiz, warum sie am 14. Juni auf die Strasse gehen. Reinschauen auf: rebrand.ly/14juni-countdown.

Frauenstreikzahl: 4466,55 Franken

zahlt eine Frau in der Zeit von 12 bis 50 Jahren für Menstruationsprodukte. Für diese gilt eine Mehrwehrtsteuer von 7,7%. Zum Vergleich: Beim Potenzmittel Viagra sind es 2,5%. Immerhin: Vier Jahre nach dem Nationalrat hat nun endlich auch der Ständerat beschlossen, den Steuersatz für Tampons, Binden etc. auf 2,5% zu senken.

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