Deutschland: Rechtsextreme legen zu

Armut und Frust spielen der AfD in die Hände

Dirk Hirschel*

Die AfD profitiert von der negativen Stimmung in Deutschland. Für Dierk ­Hirschel, Chefökonom der Gewerkschaft Verdi, ist klar: Arbeitnehmende können von der AfD rein gar nichts erwarten.

SCHEINHEILIG: Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel gibt sich als Frau der kleinen Leute, doch ihre Partei will die Ärmsten der Armen noch ärmer machen. (Foto: Keystone)

Die neue Rechte berauscht sich an der Macht. Die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) will im Osten des ­Landes stärkste politische Kraft werden. Zwischen Erfurt und Dresden ist die AfD bereits heute eine Volkspartei mit Mittelstandsbauch, wie einst die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ­(NSDAP). Folglich wählen auch viele Arbeitnehmende in Deutschland rechtsradikal. In den östlichen Bundesländern hat der parlamentarische Arm des Rechtsextremismus die Linke als Arbeiterpartei bereits abgelöst.

Doch was läuft da schief? Viele Beschäftigte, die auf dem Wahlzettel ihr Kreuz bei der AfD machen, sind mit der wirtschaftlichen und sozialen Lage un­zufrieden, verunsichert und haben Angst vor sozialem Abstieg. Niedrige Löhne, schlechte Schulen, teure P­flege, Armutsrenten und unbezahlbarer Wohnraum sorgen für grossen Frust.

GEWERSCHAFTSFEINDIN

Nicht zum ersten Mal in der deutschen Geschichte geht der Sozialprotest in die falsche Richtung. Denn die AfD ist eine arbeitnehmer- und gewerkschaftsfeind­liche Partei. Ihre Politik und ihr neoliberales Programm nützen wenigen Unternehmen und Vermögenden. Deswegen deuten die Rechtsextremisten die soziale Frage in eine ethnische und kulturelle Frage um.

Die AfD will die Verhandlungsmacht der Beschäftigten schwächen. Ihr Rassismus spaltet die Belegschaften. Die 2013 gegründete Partei war zunächst eine radikale Gegnerin des Mindestlohns. Anschliessend korrigierte sie diese Haltung aus wahltaktischen Gründen. Als die aktuelle Regierung unter SPD-Kanzler Olaf Scholz jedoch die gesetzliche Lohnuntergrenze auf zwölf Euro erhöhte, enthielt sich die AfD-Fraktion im Bundestag. Die Rechtsradikalen sind auch gegen Tarifverträge, das Pendant der schweizerischen Gesamtarbeitsverträge (GAV). Im süddeutschen Bundesland Baden-Württemberg wollte die AfD-Fraktion das «Landestarif­treuegesetz» abschaffen. Dieses gewährleistet, dass nur Firmen, welche die Tarifverträge einhalten, öffentliche Aufträge erhalten.

EIN FEST FÜR REICHE

Doch damit nicht genug. Die selbsternannte Partei der «kleinen Leute» legt auch die Axt an den Sozialstaat. AfD-Vorsitzende Alice Weidel, Björn Höcke, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, und ihre AfD-Kollegen wollen bei den Ärmsten der Armen kürzen: bei Langzeitarbeitslosen und Bürgergeld­empfängern (Sozialhilfeempfänger und Arbeitssuchende). Zudem will der wirtschaftsliberale AfD-Flügel die Altersvorsorge privatisieren.

Darüber hinaus sollen Immobilienkonzerne weiter kräftig Mieten erhöhen dürfen. Der private Reichtum soll gepflegt werden. Die neue Rechte will zudem die Erbschaftssteuer, die Grundsteuer und den Solidaritätszuschlag für Besserverdienende abschaffen. Ein Fest für Reiche. Die Zeche bezahlen Bedürftige, Geringverdienende und die Mittelschicht.

Die rechtsradikalen Feinde der Demokratie profitieren heute von der sozialen Spaltung in Deutschland. Beschäftigte können aber von einer Partei, die Löhne senkt, Arbeitnehmerrechte schleift und den Sozialstaat abbaut, nichts erwarten. Klar ist aber auch: Der beste Schutz gegen Rassisten ist eine Politik für gute Arbeit und mehr soziale Sicherheit.

* Dierk Hirschel ist Chefökonom der deutschen Gewerkschaft Verdi. Dieser Artikel ist zuerst in der «Frankfurter Rundschau» erschienen.

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