Ratgeber

So wurde aus dem Kalender ein Boom-Geschäft

Maria Künzli

Sein Auftritt dauert nur 24 Tage pro Jahr, und viele sehnen ihn herbei: den Adventskalender. Doch woher kommt diese Tradition eigentlich? Und wie lange gibt es schon Adventskalender?

DEZEMBER-RITUAL: Besonders Kinder begeistern sich für die tägliche ­Überraschung in der Adventszeit. (Foto: Adobe Stock)

Heute ist der Tag der Tage. Das erste Türchen, Säckchen oder Geschenk des Adventskalenders darf geöffnet werden. Es gibt ihn mit Bildern, gefüllt mit Schokolade, Tee, Wein, schlauen Sprüchen, Spielzeug oder Kosmetik, selbstgemacht oder gekauft. In den meisten Schweizer Haushalten findet man zurzeit mindestens ein ­Exemplar. So vielfältig die Adventskalender und so unerschöpflich die Möglichkeiten beim Selbermachen sind, der Zweck bleibt der gleiche: Der Adventskalender soll als Countdown die Vorfreude auf Weihnachten wecken und die Wartezeit darauf verkürzen.

Ab den 50ern trat der christliche Gedanke in den Hintergrund.

BRAVSEIN WIRD BELOHNT. Der Adventskalender ist ein christlicher Brauch, der sich etwa ab der Mitte des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum verbreitete. Vor allem protestantische Familien hängten ab dem ersten Adventssonntag oder ab dem 1. Dezember täglich ein Bild auf, bis an Heiligabend oder manchmal auch bis zum Dreikönigstag. Wer keine Bilder hatte, malte 24 Striche ans Fenster – bis Heiligabend durften die Kinder jeden Tag einen Strich wegwischen. In katholischen Gebieten gab es zur selben Zeit den Brauch mit Strohhalmen: Man legte jeden Tag einen Strohhalm in die Krippe, damit das Christkind an Weihnachten auch schön weich liegt. Manche Eltern nutzten das Ritual als Erziehungsmassnahme: Nur wer tagsüber brav war, durfte abends einen Strohhalm in die Krippe legen. Später kamen selbstgemachte Weihnachtsuhren in Mode. Ein Zifferblatt mit 24 Feldern und ­einem Zeiger, den die Kinder ­jeden Tag zum nächsten Feld schieben durften. In die Felder schrieben Eltern schlaue Sachen oder Bibelverse.

MASSENPRODUKT. Anfang des 20. Jahrhunderts erschienen die ersten gedruckten Adventskalender. Einer der ersten, die ­dahinter ein Geschäftsmodell erkannten, war der deutsche Verleger Gerhard Lang (1881–1974). Seine Mutter hatte für ihn einst jedes Jahr 24 schwäbische Guetsli an einem Karton befestigt, von denen er bis Weihnachten jeden Tag eines essen durfte. Als Erwachsener entwickelte Lang die gedruckte Form ohne Guetsli: Auf einem Karton waren 24 weihnachtliche, von Lang selbst geschriebene Verse abgebildet, in 24 Felder unterteilt. Jeden Tag konnte man ein Bild von einem separaten Bogen ausschneiden und zum passenden Gedicht kleben. Der erste Kalender dieser Art wurde 1908 gedruckt. Bis Ende der 1930er Jahre brachte der findige Verleger 30 verschiedene Adventskalender in 40 Ausführungen auf den Markt. Ab den 1950er Jahren wurde der Adventskalender zum weltweiten Massenprodukt, und der christliche Gedanke trat in den Hintergrund.

GRÖSSER, TEURER. Heute gibt es in Sachen Adventskalender nichts, was es nicht gibt. Regelmässig werden neue Rekorde aufgestellt. So weiss die Plattform Guinness World Records: Der wertvollste Adventskalender (2010) kommt aus Belgien, enthielt 124 Diamanten und kostete rund zweieinhalb Mil­lionen Franken. Der bisher grösste Kalender stand 2007 an St.-Pancras-Bahnhof in London: Er war 71 Meter lang und 23 Meter breit.


Mailänderli Liebling von allen

Mailänderli sind das beliebteste Schweizer Weihnachtsgebäck. Es taucht bereits im 18. Jahrhundert als «Gâteau de Milan» oder ­«Miläänli» in Berner und Basler Kochbüchern auf. Was das Mailänderli mit Mailand zu tun hat, weiss niemand mehr so genau. Eine Ver­mutung der Wissenschaft ist, dass Schweizer Gesandte das Gebäck einst an den Hof des Herzogs von Mailand brachten und es von dort zu Katharina von Medici nach Florenz kam, die das Guetsli «Mailänderli» taufte.

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