Trauerspiel an der Weltklimakonferenz in Dubai

Die letzte Ausfahrt vor dem grossen Klima-Desaster

Oliver Fahrni

An der Weltklimakonferenz in Dubai wird das ­Überleben der Menschheit verhandelt. Schlechte Aussichten: Nicht die Regierungen, sondern Öl- und Finanzkonzerne haben das Sagen.

HANDSHAKE FÜR KLIMAASYL: Australiens Premierminister Anthony Albanese (l.) mit seinem tuvalischen Amtskollegen Kausea Natano. (Foto: Keystone)

Zwei Männer in Hawai-Hemden geben sich an einem Südseestrand lächelnd die Hand. Das Foto mit Kurzmeldung war leicht zu übersehen: Am 10. November hat der australische Regierungschef seinem Kollegen aus Tuvalu und der gesamten Bevölkerung Tuvalus Klimaasyl gewährt. Denn der Inselstaat versinkt gerade in den steigenden Fluten des Pazifiks, ein Opfer der Klimaüberhitzung. Nun werden seine 9 Atolle digital geklont, die Tuvalier sollen ihre uralte Kultur im australischen Exil weiterleben, als Avatare auf dem Internet. Jedenfalls solange Australien trotz Giga-Bränden genügend Strom hat …

Es geschieht also tatsächlich. Das ist das Problem mit warnenden Prognosen: Meistens sind die Zustände, vor denen sie uns bewahren wollen, längst Realität.
Wer heute geboren wird, wird in einer Welt leben, in der fast ein Drittel der Menschheit auf der Flucht vor Fluten, Bränden, Dürre, Vergiftung, Taifunen und Bergstürzen ist, starke Teile der Alpenbevölkerung eingeschlossen. Wie soll das gehen, 3 Mil­liarden Flüchtende? Dann wird es vorbei sein mit freundlichen Shakehands am Strand.

WAS TUN?

Leider haben wir keinen Grund, an der Prognose zu zweifeln. Die Wissenschaft hat die Schäden des überhitzten Kapitalismus regelmässig unterschätzt, nicht überzeichnet. Was auch immer die Klimaschwurbler behaupten. Jetzt schmelzen die Pole viel schneller als erwartet. Plus 1,5 Grad sollten eigentlich verhindert werden (Pariser Abkommen 2015), inzwischen rechnen sie mit mörderischen 3 Grad Erderwärmung oder gar 4 Grad. Das Artensterben galoppiert bereits. 384 Millionen Kinder in Südasien leiden Durst. Alte Seuchen brechen wegen Wassermangels erneut aus, wie jetzt in Simbabwe die fürchterliche Cholera.

Jeden Tag erreichen uns zehn solcher Meldungen, und sie sind durchaus real. Nur: Was sollen wir mit diesen Informationen anfangen? Wir trennen den Müll, und manche tun sogar mehr. Aber dieser Tage geht es um das Überleben der Gattung Mensch.

KLIMAVERPESTER IN DUBAI

Das soll nun die 28. Weltklimakonferenz (COP 28) sichern. Unsere letzte Chance, sagen die Fakten. Wir müssen raus aus Öl, Kohle und Gas. Mindestens. Die COP 28 hat am 30. November im Öl- und Gasstaat Vereinigte Arabische Emirate (VAE) begonnen. Präsidiert wird sie vom Ölscheich Sultan bin Ahmed Al Jaber. Der fördert mit seinem Konzern Adnoc vier Millionen Fass Öl pro Tag. Doch Al Jaber ist vermutlich noch das geringste Problem.

Vandana Shiva, 71, wird in Indien als «Hüterin der Erde» gefeiert. Sie war schon bei der ersten COP vor drei Jahrzehnten dabei: «Damals haben wir von den Umweltbewegungen die Konferenz initiiert. Dann haben die Regierungen übernommen. Jetzt, in Dubai, bestimmen die Milliardäre.» Also jene, die allein mehr CO2 produzieren als viele Millionen Menschen. Eine Studie der NGO Oxfam belegt: Die reichsten 10 Prozent, Elon Musk, Jeff Bezos, Bernard Arnault, Bill Gates voran, sind für mehr Treibhausgase verantwortlich als 50 Prozent der Weltbevölkerung.

Das Problem: Die Regierungen haben vor dem Kapital kapituliert, auch in Sachen Klima. Shiva hat den «Kippmoment» erlebt, als 2009 der damalige US-Präsident Barack Obama bei der COP 15 den anderen Regierungen jede zwingende Massnahme für das Klima verbot. Nach Dubai kamen sie jetzt mit lahmen oder gar absurden technischen «Lösungen». So will etwa der französische Präsident Emmanuel Macron die Welt mit seinen AKW zupflastern. Hauptsache der Profit sprudelt.

CO2-BOMBEN

Unser Überleben aber, das Klima und die nachhaltige Energie, haben die Regierungen in die Hände der Ölmultis Aramco, Shell, Exxon, BP oder Total gelegt. Ein gigantischer Betrug an der Menschheit. Erst machten die Konzerne ein bisschen in Greenwashing. Jetzt fahren sie ihre Investitionen in grüne Energien scharf zurück, entlassen reihum ihre Spezialisten und schmuggeln Ölpropaganda in Videospiele (Shell etwa in «Fortnite. Die Welt retten»).

An der COP 28 wollen Konzerne und Banken freie Fahrt schaffen für mehr Finanzspekulationen (CO2-Zertifikate usw.) und noch mehr Monsterinvestitionen in Öl, Gas und Kohle. 422 solcher Projekte hat die NGO Data for Good dieser Tage identifiziert und kartographiert, auf carbonbombs.org. Die UBS ist gut mit dabei. Allein schon diese 422 «CO2-Bomben» machen jedes Klimaziel zunichte.

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