Rosa Zukunft ‒ Technik, Umwelt, Politik

CO2-Ablasshandel: Können wir dank Sägespänen bald schon klimaneutral von New York nach Genf und zurück fliegen?

Dank dem Multi «Vail Resorts» werden schon bald noch mehr reiche US-Touristinnen und -Touristen in die Schweiz zum Skifahren jetten. Und das Klima stärker anheizen. Jetzt schlägt ein Start-up eine innovative CO2-Kompensation vor. Und Multimilliardär Bill Gates wittert ein neues Geschäft mit CO2-­Bricketts.

GESCHÄFTSMODELL: Holzspäne sollen vergraben werden und so den Reichen die Möglichkeit geben, sich ein reines CO2-Gewissen billig zu erkaufen. (Foto: iStock)

Selbst in den Alpenstädten Chur oder Sitten können die meisten Kinder nicht mehr skifahren: Skifahren wird zunehmend zu einem Sport für die Reichen und Superreichen. Inzwischen kaufen sich mehr als 2 Millionen reiche US-Amerikanerinnen und -Amerikaner den sogenannten Vail-Ski-Pass zum Preis von 860 Franken pro Jahr. Sie können damit weltweit alle Anlagen des US-Resorts-Unternehmens Vail Resorts nutzen. Neu auch jene von Andermatt im Kanton Uri und Crans-Montana im Wallis.

Das System: Vail Resorts ist eine US-amerikanische Cash-Maschine. Dem Unternehmen gehören weltweit bereits 43 Skigebiete. Der Multi versucht, wenn immer möglich, die ganze Infrastruktur eines Skiortes zu kontrollieren: die Skianlagen, die Hotels, die Ferienwohnungen, die Restaurants und die Skivermietungen. Um so die Nachfrage zu steuern.

Wie die Yankees das in Andermatt und Crans-Montana genau machen werden, ist noch etwas offen. Aber damit das Ganze in Europa und seinen Alpen zum Laufen kommt, werden sie weitere alpine Skigebiete kaufen.

CO2 VERGRABEN. Sicher ist, dass viele US-amerikanische Vail-Pass-Besitzende einen Abstecher in die Schweiz machen werden. Denn der Flug von New York nach Zürich oder Genf dauert nur drei Stunden länger als der Flug von New York nach Whistler Blackcomb in Kanada. Dort befindet sich ­eines der Skigebiete von Vail Resorts.

Wer von New York nach Zürich und zurück fliegt, pustet selbst in der Economy-Klasse rund 1,6 Tonnen CO2 in die Luft. Das ist alles, aber nicht umweltfreundlich. Die tiefen Flugpreise sind nur machbar, weil Kerosin faktisch nicht besteuert wird. Und weil fast niemand freiwillig seinen CO2-Ausstoss kompensiert. Wie nur sollen wir diese schädliche Kohlendioxide wieder aus der Luft wegbekommen?

Der Bundesrat will CO2 in der Nordsee versenken, die Technologie heisst «Carbon storage» (siehe Link unten). Und US-Multimilliardär Bill Gates will es in den Pampas dieser Welt vergraben. Die Legende: Gates unterstützt das innovative US-Start-up «Graphyte». Die Wahrheit: Bill Gates wittert ein Geschäft. Das CO2-Brickett-Geschäft.

Das Geschäftsmodell: «Graphyte» sammelt Abfälle aus der Land- und Forstwirtschaft ein: Sägespäne, Rinden und Pflanzenreste. Diese werden weder verbrannt, noch lässt man sie verrotten. Das eingesammelte Material wird getrocknet und in Briketts gepresst. Die Briketts werden mit Folien geschützt vergraben. Sie sollen während Jahrhunderten kontrolliert und unbeschadet ruhen, so wie die Mumien aus dem alten Ägypten.

Die so vergrabene Tonne CO2 soll für alle, die kompensieren wollen, nur 85 Franken kosten. Und somit sechs Mal weniger, als wenn wir mit den Maschinen des schweizerischen Unternehmens «Climeworks AG» eine Tonne CO2 aus der Luft absaugen.

GRUSIGER ABLASSHANDEL. Jetzt ­machen die «American Airlines» Bill ­Gates zuliebe einen Test mit 10 000 Tonnen «Graphyte»-Briketts. Das kostet sie ja nicht mehr als 8,5 Millionen Franken. Eine mehr als günstige Image-Kampagne, wo die American-Airline-Jets doch jedes Jahr 49 Millionen Tonnen CO2 in die Luft blasen. Und so das Klima an­heizen. Nehmen wir jetzt mal an, dass Donald Trump 2024 noch einmal zum Präsidenten der USA gewählt wird. Gehen wir zudem davon aus, dass «Graphyte» dank und mit Bill ­Gates effektiv eine Tonne CO2 für 85 Franken verbuddeln können wird, irgendwo in den wenig dicht besiedelten USA, wenige Meter unter der Erdoberfläche. Wer würde Trump daran hindern können, diese Scheinlösung als seine Lösung zu propagieren? Eine grusige Vorstellung.

Denn für die reichen US-Vail-Pass-Besitzenden, die in der EconomyKlasse von New-York nach Genf und zurück fliegen werden, um in Crans-Montana Ski zu fahren, würde der Aufpreis für ein gutes Gewissen nur gerade 136 Franken kosten. Ein mehr als grusiger Ablasshandel, den sie nach sieben Tagen von der Hotelrechnung abziehen könnten.

Links zum Thema:

  • graphyte.com/faqs Die Website von «Graphyte» übersetzt das Konzept vom Englischen ins Deutsche. Und das nicht einmal so schlecht. «Carbon Casting ist die weltweit erste CO2-Abzuglösung, die erschwinglich, dauerhaft und sofort skalierbar ist. Es ist auch die einzige permanente negative Emissionstechnologie, die in strombelasteten Märkten eingesetzt werden kann, einschliesslich des Global South. Mit finanzieller Unterstützung von Breakthrough Energy Ventures wird der Carbon-Casting-Prozess von Graphyte eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels spielen.»
  • rebrand.ly/newyork-genf/ Der Wahnsinn: Für weniger als 500 Franken fliegt man im Dezember 2023 von New York nach Genf und zurück.
  • rebrand.ly/co2-verpressen Ein spannender Beitrag der SRF-Sendung «Echo der Zeit». Der Bundesrat will mit einer 16 Milliarden teuren Pipeline CO2 zum Verpressen nach Norwegen pumpen.

 

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.