Minus 440 Stellen: Personal kämpft gegen irren Sparplan der St. Galler Spitäler

«Ein Abbau wäre einfach nur fahrlässig»

Christian Egg

Die Spitäler kaputt­sparen? Nicht mit uns, sagen Pfleger und Ärztinnen in St. Gallen. Sie haben eine Protestwelle lanciert – und warnen eindringlich vor den Folgen der geplanten Massenentlassung.

AUF DER STRASSE: Ein Grossaufgebot an Pflegern, Ärztinnen und weiteren Spitalangestellten protestiert gegen den geplanten Kahlschlag in ihrem Betrieb. (Foto: Andrea Tina Stalder / St. Galler Tagblatt)

Eine eindrückliche Menschenmenge steht am 23. Oktober vor dem Eingang des Kantonsspitals St. Gallen. Rund 600 Pflegende, Ärztinnen, Putzmänner, Büromitarbeitende: Gemeinsam protestieren sie gegen das Vorhaben der St. Galler Spitäler. Diese wollen 440 Stellen amputieren – obwohl ihnen schon jetzt, wie fast überall, Pflegekräfte fehlen.

Mitarbeitende betreten die Tribüne aus ein paar Holzbrettern und sagen Spitalleitung und Politik die Meinung. Für Annina Hutter, Fachverantwortliche Pflege, wäre es «einfach nur fahrlässig», Stellen zu streichen. Denn neben Pflegefachleuten sollen auch Pflegeexpertinnen und Ausbildner entlassen werden. Dabei brauche es Expertise für komplexe Fälle, und es brauche eine gute Ausbildung für die Pflegenden von morgen.

Zudem, so Hutter, habe das Stimmvolk vor zwei Jahren die Pflegeinitiative angenommen. Damit habe es klar gezeigt, dass es eine gute Pflege wolle mit ­guten Arbeitsbedingungen und genügend Personal. Der Abbauplan des Spital-Verwaltungsrats, so Hutter, «ignoriert den Willen des Volkes».

«Wir wären mehr am Computer statt mit den Patientinnen und Patienten.»

ÄRZTIN PRANGERT AN

Unter den Protestierenden war auch die Ärztin Beatrice Furrer *. Sie gehe davon aus, dass das Spital nur wenige Ärztinnen und Ärzte entlasse, sagt sie work. «Aber es werden Stellen nicht neu besetzt. Somit werden in Zukunft Fachleute fehlen.» Mehr noch: Auch den geplanten Stellenabbau in der Administration würden Patientinnen und Patienten spüren. In den letzten Jahren habe das Spital versucht, in jeder Station eine Person anzustellen, die die Formulare ausfüllt, Berichte schreibt und so weiter. Das sei im Alltag eine grosse Entlastung, sagt Furrer. «Und ausgerechnet jetzt, wo das langsam zu greifen beginnt, wollen sie solche Stellen wieder streichen?»

Es sei ja klar, wer dann den Papierkram erledigen müsse – die Ärztinnen und Ärzte. «Das heisst, wir müssten wieder öfter am Computer sein statt mit den Patientinnen und Patienten. Ist es wirklich das, was das Spital will?»

Beatrice Furrer ist müde, nach einer strengen Schicht auf dem Notfall will sie nur noch schlafen. «Das Spital arbeitet schon jetzt an der Kapazitätsgrenze», berichtet sie. Sie sei für bis zu zehn Patientinnen und Patienten gleichzeitig verantwortlich. Heute sei zu Beginn der Schicht auf ihrer Station noch ein Bett frei gewesen. Mit jeder Person, die vom Notfall auf die Station verlegt werde, sei ein Feilschen ausgebrochen: Welche Station gibt ihr letztes Bett her? Und was, wenn dann ein schwerer Fall reinkommt, der genau dieses Bett gebraucht hätte?

PLATZ JA, PERSONAL NEIN

Das sei frustrierend und gehe ihr gegen den Strich, sagt Furrer: «Wir entscheiden nicht mehr nach medizinischen Kriterien, sondern nur aufgrund der Ressourcen.» Platz wäre schon noch da. Auf der Notaufnahme habe es ungenutzte Behandlungsplätze. «Aber sie sind abgesperrt. Wegen Personalmangels.»

Die Spitalleitung gab als Ziel vor, dass unter dem Stellenabbau die medizinische Qualität nicht leiden solle. Dafür hat Ärztin Furrer nur ein bitteres Lachen übrig. Sie ist überzeugt: In ihrem Bereich, dem Notfall, hätte der geplante Abbau Folgen für die Bevölkerung. «Wir sind schon jetzt ständig am Rennen. Wie soll das gehen, wenn wir noch weniger sind?» Es würde nicht gehen. Und was heute schon vorkomme, würde dann zum Normalfall: «Dass Leute, die nicht gerade in kritischem Zustand sind, stundenlang im Wartezimmer des Notfalls ausharren müssen, bis sich jemand um sie kümmern kann.»

*Name geändert

Soli-Demo: Ab auf die Strasse!

Ein Abbau im Gesundheits­wesen würde die ganze ­Bevölkerung treffen. Um dies der ­Politik klarzumachen, ­findet am 11. November eine ­Solidaritätsdemo statt. ­Treffpunkt 13 Uhr, Kornhausplatz, St. Gallen. Mehr Infos hier.

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