1x1 der Wirtschaft

Mindestlohn im Kanton Genf: Es gibt Mehr Lohn, aber nicht mehr Arbeitslosigkeit

Daniel Lampart

Er sei der «höchste Mindestlohn der Welt», hiess es, als in Genf über den Minimallohn von 23 Franken pro Stunde abgestimmt wurde. Er würde viele Arbeitsplätze kosten. Richtig ist: In Franken ausgedrückt, gehört der Genfer Mindestlohn tatsächlich zu den höchsten auf der Welt. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn in Genf ist das Leben teuer. Wenn man den Mindestlohn mit den Lebens­haltungskosten vergleicht, schaut es deshalb anders aus. Hier liegt der Genfer Mindestlohn ungefähr im Bereich der Mindestlöhne im Ausland oder in anderen Schweizer Kantonen.

PARALLEL. Der Mindestlohn gilt seit November 2020. Nach dieser Zeit kann man sagen, ob er nun zu mehr Arbeitslosigkeit geführt hat oder nicht. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Die Angstszenarien der ­Gegnerinnen und Gegner waren falsch. Die Arbeitslosigkeit in Genf entwickelte sich weitgehend im Gleichschritt mit dem Nachbarkanton Waadt, der keinen Mindestlohn hat. In der Coronazeit ging die Arbeitslosigkeit etwas hoch. Danach bildete sie sich in Genf und Waadt weitgehend parallel zurück. Dasselbe war bereits im Kanton Neuenburg zu beobachten, wo im Jahr 2017 ein kantonaler Mindestlohn eingeführt wurde.

GEGENGEWICHT. Wer die Arbeitsmarktforschung zu den Mindest­löhnen kennt, wird nicht überrascht sein. Seit einer aufsehenerregenden Studie zu den Mindestlöhnen in den US-Bundesstaaten New Jersey und Pennsylvania im Jahr 1994 ist klar, dass Mindestlöhne nicht zu einer ­höheren Arbeitslosigkeit führen müssen. Wieso das?

Die Forschung zeigt, dass die Arbeitgeber eine gewisse Marktmacht ­haben. Ein Mindestlohn führt hier ein Gegengewicht zugunsten der Arbeitnehmer ein. Ein Mindestlohn bedeutet deshalb vereinfacht gesagt, dass die Arbeitnehmerinnen mehr Lohn ­haben, die Arbeitgeber hingegen etwas weniger Gewinn. Dazu kommen weitere Effekte. Einige Arbeitnehmer werden etwas weniger arbeiten, wenn sie mehr verdienen. Also beispielsweise abends nach einem strengen Arbeitstag nicht mehr Büros putzen müssen. Das gibt Jobs für andere.

Mindestlöhne sind mittlerweile ziemlich verbreitet. Es gibt entsprechende Erfahrung. Und die fällt in der Regel positiv aus.

Daniel Lampart ist Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB).

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