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Industriearbeiter Jeton Idrizi (41): «Mit den Händen arbeiten finde ich immer gut!»

Florian Sieber

Arbeiter in der Metallindustrie ist der sechste Beruf, den Jeton Idrizi in seinem Leben ausübt. Nach einer abrupten Firmenschliessung freut er sich jetzt auf seine neue Stelle.

INDUSTRIEARBEITER Jeton Idrizi (41) kann vieles, nur nicht untätig sein. (Foto: Alexander Egger)

Jeton Idrizi sitzt in einem Café in der Bieler Innenstadt. Hier jeweils am Morgen einen Kaffee zu trinken – das ist für ihn ein Fixpunkt im Alltag geworden. Obwohl er seit einem halben Jahr ohne Stelle ist, hält er ein striktes Programm ein: «Aufstehen tue ich immer noch um 6 Uhr 15. Ich will meinen Rhythmus nicht verlieren.» Als erstes weckt er jeweils seine Frau, die in der Spedition in der Uhrenindustrie arbeitet, macht Frühstück und bringt dann seine Kinder zur Schule. «Meinen Sohn in die Primarschule, die jüngere Tochter in die 7. Klasse und die Grosse ins Gymnasium», sagt Idrizi. Sichtbar stolz – seine Tochter ist die erste aus der Familie, die den Sprung ans Gymnasium geschafft hat.

Er stamme aus einer «Büezerfamilie», aus dem nordmazedonischen Tetovo. Schon in der Schulzeit, mit dreizehn, habe er angefangen zu arbeiten und half in den Ferien seinem Vater, einem Maler, auf Baustellen aus. Heute verfügt er über insgesamt 23 Jahre Berufserfahrung aus sechs verschiedenen Berufen. Er hat schon als Reinigungskraft gearbeitet, als Securitas, für einen Pneu-Service, für den Verkehrsdienst, als Hilfsgipser und dann – fast 16 Jahre lang – in einem Betrieb der Metallindustrie. Er bediente Maschinen zum Guss von Metallrohren, arbeitete als Schweisser oder im Lager. Zu einem Lohn von 5800 Franken brutto.

Dazu kamen immer wieder kleine Jobs als Handwerker. Ob Wohnungen streichen, Laminat oder Platten legen: «Am Anfang ist es vielleicht schwierig, wenn man so eine neue Aufgabe hat. Aber mit etwas Übung geht das leicht von der Hand. Mit den Händen arbeiten finde ich sowieso immer gut!» Womit er sich dagegen nicht anfreunden konnte: die Untätigkeit, als er arbeitslos wurde. Es sei ihm nach so vielen Jahren Büez schwergefallen, plötzlich so viel daheim zu sein.

SCHATTENSEITEN. Wieso Idrizi seinen Job verloren hat, kann er sich nicht erklären. Der Betrieb habe ohne Not geschlossen, die Auftragsbücher seien noch voll gewesen. Das Unternehmen, das seinen alten Betrieb aufkaufte, wollte wohl vor allem einen Konkurrenten ausschalten. Klar ist nur: Die Belegschaft stand auf der Strasse. «Ich habe den Job dort echt gern gemacht», sagt Idrizi. Doch auch wenn es um die Schattenseiten der Stelle geht, hält er sich nicht zurück: «Es wurden einem immer wieder grosse Versprechen gemacht. Mir wurde beispielsweise einmal angeboten, dass ich das Schweisserzertifikat machen könnte. Als der Betrieb gesehen hat, wie teuer das käme, war das aber plötzlich kein Thema mehr.»

Er, der selber keine Ausbildung abgeschlossen hat, übernahm im Betrieb viel Verantwortung und war für ein Team von vier bis fünf Leuten zuständig. Als der Betrieb geschlossen wurde, wurde Idrizi auf die Gewerkschaften aufmerksam. Zwei Sekretäre der Unia Biel kamen vorbei und hinterliessen Eindruck bei ihm. «Sie haben uns genau erklärt, was auf uns zukommt. Und sie haben vollen Einsatz gegeben! Zum Beispiel beim Aushandeln des Sozialplans für die 40 Personen, die ihre Stelle verloren haben.» Die Erfahrungen, die er mit der Unia gemacht hat, habe er so nicht erwartet. «Die ganzen Leistungen und der Einsatz der Gewerkschaften sind für uns sehr wichtig – neben der Beratung auch der Kampf für gute Löhne und Renten. Es muss sich auch lohnen zu arbeiten!» Auch da hat Jeton Idrizi einen sehr persönlichen Bezug: Sein Vater bekommt pro Monat gerade einmal 1800 Franken Altersrente. «Und das für jemanden, der in den 70er Jahren angefangen hat zu arbeiten? Jemand, der jahrzehntelang immer chrampfen musste? Und am Schluss hat er nichts davon? Das ist nicht richtig!»

KOLLEGEN. Früher arbeitete Jeton Idrizi auch schon temporär. «Dort habe ich so zwischen 26 und 32 Franken pro Stunde verdient.» Je nach Stelle. «Damit war ich aber wohl zu teuer. Das hat zwar niemand direkt gesagt, aber ich vermute, dass das so war.» Immer seltener seien seine Aufgebote geworden. Die Unsicherheit hat dem Familienvater damals zugesetzt. Mit manchen Sachen hatte er aber auch Glück: «Meine Kollegen damals waren ganz tolle Menschen! Auch die Arbeit selber habe ich meist gern gemacht.»

Am 9. Oktober, wenige Tage nach dem Treffen mit work, trat der Bieler bei der Leviat AG in Lyss eine neue Stelle in der Produktion an. Die Firma stellt Aufzugs- und Abstützelemente für die Bauindustrie her. Eingestellt wurde er «ein bisschen als Allrounder, am Anfang». Allerdings zu einem tieferen Lohn als bei der alten Firma: «Es sind mehrere Hundert Franken weniger pro Monat. Und das gerade jetzt, wo alles teurer wird!» Abgesehen davon hatte er von Kollegen im Vorfeld viel Gutes über seinen neuen Arbeitsort gehört. Und als ihn work nach seinem ersten Arbeitstag am Telefon erreicht, meint er: «Das lief wirklich gut! Und vor allem bin ich froh, wieder arbeiten zu können.»


Jeton IdriziMakler ja, Koch nein

Immobilienmakler – das wäre Jeton Idrizi, wenn er in seinem Traumberuf arbeiten könnte. So immer im Büro würde er aber auch nicht sein wollen. Das Unia-Mitglied mit dem grossen technischen Verständnis und dem handwerklichen Geschick würde es sich dann nicht nehmen lassen, an den Häusern selbst zu arbeiten, sagt er und schmunzelt.

FAMILIE. Im nord­mazedonischen Tetovo ist er geboren und verbrachte dort die ersten Jahre seines Lebens, kam als Bub in die Schweiz und ging in Laupen BE in die Schule. Als Jugend-­licher brach er eine Lehre zum Maler ab. Während der kürz­lichen Arbeitslosigkeit gehörte es auch zu den täglichen Pflichten des Familien­menschen, für seine Kinder am Mittag zu kochen. Wie er verschmitzt zugibt, war er vom Erfolg aber nicht überzeugt.

1 Kommentar

  1. Krisanu Kunz

    Ja auch mit Dir Jeton, hat es Spass gemacht zu arbeiten, auch in schwierigen Zeiten warst Du sehr kompetent und immer hilfsbereit.
    Ich wünsche Dir und Deiner Familie nur das Beste für die Zukunft.

    Gruss Kris

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