Zu Besuch bei Milliardär Samih Sawiris’ alpinem Reichenréduit

Andermatter Monopoly

Iwan Schauwecker

Zehn Jahre nach dem Streik gegen Dumping­löhne wird bei Andermatt Swiss Alps immer noch gebaut wie wild. Und gekauft wie wild. work hat sich im Luxusresort umgeschaut.

VON REICHEN FÜR REICHE: In Andermatt entstehen Luxusappartements für die Vermögenden dieser Welt, während Arbeiterinnen und Arbeiter in der Region kaum mehr bezahlbare Wohnungen finden. (Foto: Iwan Schauwecker)

Zwischen den Häusern «Steinadler», «Fuchs» und «Wolf» ist an diesem sonnigen Herbstmorgen kaum ein Mensch im neuen Dorfteil des Immobilienkonzerns Andermatt Swiss Alps unterwegs. Am Rande der Siedlung trifft work einen bärtigen Einheimischen mit Feldstecher. Er sei schon immer gegen dieses Projekt gewesen. Er sagt: «Ich bin noch nie da drin gewesen und werde auch nie reingehen, das ist nicht mehr meine Welt.» Anders sieht das der junge ­Planer der Firma Loosli Holzbau aus Willisau. Er ist heute aus dem Kanton Luzern zur Besichtigung der Baustelle angereist. Andermatt Swiss Alps sei für ihn und für viele andere Baufirmen aus der Innerschweiz ein lukrativer und langfristiger Auftraggeber. Ein Team von zehn Mitarbeitenden arbeitet gerade an der Fertigstellung eines Dachgiebels. Für die Erstellung der Holzfassade werde dann ein Gerüst mit Heizsystem aufgebaut, damit die Arbeiter auch im Winter vorwärtsmachen könnten. Auf die Frage, für wen die Appartements denn gebaut würden, fragt er zurück: «Meinen Sie die Russen?» Das sei doch alles längst bekannt. Swiss-Alps-Chef Samih Sawiris habe selbst über eine Milliarde Franken in der Schweiz investiert.

«Der Kanton Uri tanzt nach der Pfeife von Andermatt Swiss Alps.»

GOLDENE TREPPE

«Edle Abdeckungen, hochwertige Bodenbeläge, exklusive Geräte, aufwendige Holzeinbauten, eine goldene Treppe und als Tüpfelchen auf dem i: eine Privatsauna im Badezimmer.» So preisen die Architekten das soeben renovierte Maisonnette-Penthouse im Appartementhaus «Edelweiss» an. Nur fünf Jahre nach dem Erstbezug musste die Wohnung für die anspruchsvolle Besitzerschaft renoviert werden. Doch im Resort von Andermatt Swiss Alps wird nicht nur renoviert, es wird vor allem auch fleissig weitergebaut. Acht Baukräne ragen hier in den Urner Berg­himmel. Mehrere Hundert Arbei­terinnen und Arbeiter betonieren Fundamente und installieren im Innern der Gebäude die Elektronik und die Heizsysteme. Die Zeit drängt, denn bald könnten Kälte und Schnee die Betonarbeiten auf 1400 Metern über Meer erschweren.

EIN STREIK ZU VIEL

Giuseppe Reo, Regioleiter der Unia ­Innerschweiz, hat vor zehn Jahren ­einen Streik gegen Dumpinglöhne auf der Baustelle des Luxushotels The Chedi von Sawiris in Andermatt organisiert. Damals wurde publik, dass Elektroinstallateure zu Dumpinglöhnen von 9,90 Euro pro Stunde in Andermatt arbeiten mussten. Dies war weniger als die Hälfte dessen, was die Handwerker eigentlich hätten erhalten sollen. Doch seither hat die Unia einen schweren Stand auf den Baustellen des Resorts. Reo sagt: «Die Bauarbeiter wurden völlig indok­triniert, sie sollten keinen Kontakt mehr mit den Gewerkschaften haben.» Auch der Kanton Uri tanze vor allem nach der Pfeife von Andermatt Swiss Alps. Bei der Vollzugsstelle des Kantons sieht man das anders. Die Baustellen würden regelmässig kon­trolliert. Seit 2013 seien nur noch drei bis vier Fälle von Schwarz­arbeit festgestellt worden, und der Zugang zur Baustelle werde jetzt von einer ­Sicherheitsfirma überwacht.

Sicherheit suchen auch die In­ves­­toren. Inzwischen ist es für die Ein­­heimischen und die über 500 Hotelmitarbeitenden des Andermatt Swiss Alps Resorts schwierig geworden, eine bezahlbare Wohnung im Urserental zu finden. Denn das Fe­rien­dorf von Samih Sawiris ist ein ­Réduit für das Geld der Reichen, und dies hat die Mietpreise in der Region stark hochgetrieben. Auf Wer­be­ta­feln werden weitere potentielle In­­ves­torinnen und Investoren an­ge­spro­chen: «Become an Andermatter» – werde Andermatter. Ab 1,25 Mil­­lio­nen Franken für eine Zweizimmerwohnung ist man dabei.

VON ZUG BIS ZU PANAMA

Unter den Käufern der Appartements sind dieses Jahr zahlreiche Privatpersonen aus Singapur, einige aus Russland, Beteiligungsgesellschaften aus Zug, aber auch der ehemalige serbische Premierminister Božović, der unter dem jugoslawischen Ex-Präsidenten Slobodan Milošević Karriere gemacht hatte. Auch Briefkastenfirmen aus Panama, Zypern und den Virgin Islands und Steuerflüchtlinge aus Norwegen haben in Andermatt schon Wohnungen gekauft. Dass dieser Verkauf an ausländische Gesellschaften und Privatpersonen in Andermatt überhaupt möglich ist, geht auf Christoph Blocher zurück: Als Bundesrat und Vorsteher des Justizdepartements hat er 2006 beim Gesamtbundesrat eine Ausnahmeregelung der Lex Koller für das Resort in Andermatt erwirkt. Zudem weist die Schweizer Geldwäscherei-Gesetzgebung bis heute Lücken beim Handel mit Immobilien auf.

Auf den Vorwurf der Geldwäscherei angesprochen, hält Stefan Kern, Mediensprecher von Swiss Alps Andermatt, fest: «Wir halten uns beim Verkauf der Immobilien an die in der Schweiz geltenden Vorschriften und haben auch intern strenge Regelungen.» Es würden alle Transaktionen über Schweizer Banken laufen und auch kein Bargeld und keine Kryptowährungen ak­zeptiert. Im Jahr 2023 seien bis jetzt 70 Wohnungen verkauft worden, und der Anteil der Käuferinnen und Käufer aus der Schweiz betrage weiterhin sechzig Prozent. Die teuerste Wohnung habe etwa vier Millionen Franken gekostet. Alles gut und transparent also? Beim Andermatter Monopoly wird auf jeden Fall nach den Regeln des Kapitals gespielt.


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