Neuer Bericht: Stress und Erschöpfung im Schweizer Arbeitsalltag

Viele chrampfen bis weit in den Feierabend hinein

Iwan Schauwecker

In keinem Land in Europa wird so oft in der Freizeit gearbeitet wie in der Schweiz. Und in der Pflege laufen besonders viele am Limit. Das zeigt ein neuer Bericht des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco).

UNTER DRUCK: Für Pflegende ist der Mix von harter körperlicher Arbeit und langen Arbeitzeiten besonders belastend. (Foto: Keystone)

23 Prozent der Lohnabhängigen in der Schweiz und 34 Prozent in Europa sehen ihre Gesundheit oder Sicherheit durch die Arbeit gefährdet. Das zeigt ein neuer Bericht des Seco. Fast die Hälfte der 1224 Befragten in der Schweiz sagen, dass sie unter Rücken- und Muskelschmerzen leiden. Auch das Arbeitstempo und der Termindruck sind belastend. Als Folge wird häufig zu lange gearbeitet: Mehr als ein Drittel der Befragten in der Schweiz arbeiten auch in der Freizeit. Die Arbeitszeit liegt mit durchschnittlich fast 42 Stunden pro Woche deutlich über dem europäischen Schnitt.

Etwa 10 Prozent der Befragten berichten zudem über Diskriminierung, verbale Beleidigungen und Mobbing am Arbeitsplatz. Diese Zahl liegt ebenfalls über den entsprechenden Werten in den Nachbarländern.

Jede zehnte Befragte fühlte sich nach der Arbeit physisch und emotional ausgebrannt.

STRESS UND SOLIDARITÄT

21 Prozent der Befragten geben an, dass sie am Ende eines Arbeitstages oft oder immer körperlich erschöpft seien. Besonders hoch war der Anteil der physisch und auch emotional Erschöpften im Gesundheitswesen (23 Prozent). Dieser hohe Wert ist wahrscheinlich auch eine Folge der Covid-Pandemie, denn die Umfrage wurde im Jahr 2021 durchgeführt. Gleichzeitig gibt es in den Pflegeberufen auch grosse Solidarität: 91 Prozent sagen, dass sie oft oder immer durch Kolleginnen und Kollegen unterstützt werden. 79 Prozent erhalten Unterstützung von ihren Vorgesetzten.

TOXISCHE MISCHUNG

Christine Michel, Gesundheitsexpertin bei der Unia, sagt: «Die Kombination von langen Arbeitszeiten und anstrengenden körperlichen Arbeiten führt zu einer besonderen gesundheit­lichen Belastung.» Diese toxische Mischung gebe es nicht nur in der Pflege, sondern auch in anderen Branchen, insbesondere auf dem Bau, im Gastgewerbe und bei Jobs in der Logistik. Michel sieht die Firmen in diesen Branchen in einer besonderen Verantwortung: «Die Mitarbeitenden brauchen bessere Arbeitsbedingungen, und ihre Anliegen müssen regelmässig angehört und von den Unternehmen endlich mehr beachtet werden.»

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