work-Kommentar

SRF ­hofiert Arbeit­geber

Jonas Komposch

Es war der grösste Volksaufmarsch in der Hauptstadt seit dem letzten Frauenstreik: Rund 20 000 Menschen beteiligten sich an der Kaufkraft-Demo. Trotzdem – oder gerade deshalb – war dies vielen Medien höchstens eine Randnotiz wert. Im «Blick» etwa erschien eine Mini-Meldung, «20 Minuten» brachte nur online ein paar Sätze, und die NZZ berichtete überhaupt nicht. Anders, aber nicht weniger fragwürdig, verfuhr die «Tagesschau» von SRF. Im gerade mal 149 Sekunden kurzen Beitrag kamen zu Wort: ein demonstrierender Schreiner (1 Satz, 7 Sekunden), eine demonstrierende Pflegerin (1 Satz, 6 Sekunden) sowie Unia-Präsidentin Vania Alleva (1 Satz, 13 Sekunden). Das war der «Tagesschau» schon mehr als genug. Nun musste dringend eine Gegenstimme her – ganz nach dem absurden SRF-Credo der «Ausgewogenheit».

Die Westschweizer SRG-Journis kuschen weniger vor Bossen.

45 SEKUNDEN. Also klopfte man bei Roland A. Müller an, dem Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbands. Dieser sagte freilich zu – und er sagte viel. Denn dem Herrn Direktor gewährte SRF grosszügig Redezeit. Während exakt 45 Sekunden durfte Müller dem Fernsehpublikum erklären, warum die gewerkschaftlichen Lohnforderungen «deutlich zu hoch» seien und wie «auch die Arbeitgeber leiden».

ARBEITGEBER-TV: Zur Demo der Lohnabhängigen bekam der Arbeitgeberchef bei SRF am meisten Sendezeit. (Foto: Screenshot)

45 Sekunden – das entspricht der doppelten Redezeit, die SRF den Demonstrierenden gewährte, also den Protagonistinnen und Protagonisten des Tages! Mit solcher Pseudo-Objektivität fährt SRF einen bedenklich rechtslastigen Sonderkurs. Das zeigen übrigens die eigenen Schwesterhäuser: So kam Müller auch im Tessiner RSI zu Wort, aber nicht länger als die Gewerkschaften. Und im Westschweizer RTS gab’s statt einer plumpen Gegenüberstellung von Arbeitgeber-Parolen einen intelligenten Kommentar der Bundeshaus-Korrespondentin.

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