Baubüezer in der Bruthitze: Chrampfen bei über 34 Grad

«Spätestens um 16 Uhr bist du plemplem»

Iwan Schauwecker

Die Schweiz hat eine rekordverdächtige Hitzewelle hinter sich. Und die Hitzetage in den Schweizer Städten werden sich bis 2035 fast verdoppeln. Deshalb fordert die Unia einen Baustop ab 30 Grad. work war einen Hitzetag lang auf dem Bau unterwegs.

6.00 Uhr: 19,9 Grad
Die Baubüezer beginnen die Frühschicht. In der Morgendämmerung zeigt das Thermometer immer noch fast 20 Grad an. 80 Bauarbeiter von Marti und Frutiger bauen hier – im Berner Egghölzli, direkt vor der Unia-Zentrale – im Auftrag von Stadt, Kanton und Bernmobil einen neuen Verkehrsknotenpunkt. Alle Gleise der Tramlinie acht wurden in den letzten Wochen rausgerissen. Am Rand der Baustelle: Schotter, aufgebrochener Asphalt, rotweisse Absperrlatten, Bauzäune und vertrocknete Hecken. Die temporären Zebrastreifen sind in der Hitze der vergangenen Tage geschmolzen und kleben in Fetzen auf der Strasse.

9.05 Uhr: 22,5 Grad
Znünipause vor einem Baucontainer im Schatten der Bäume. «Ich habe diese Nacht fast nicht geschlafen», sagt einer der Büezer mit vielen Tattoos und leichtem Sonnenbrand. Alle zehn Bauarbeiter, die hier Pause machen, sind müde von der Hitze und von der Tropennacht. Auf die Regelungen mit Baustops im Tessin und Genf angesprochen (siehe Kasten), sagt der Jüngste im Team: «Das ist doch typisch Schweiz, wie mit den Steuern, jeder Kanton hat seine eigenen Gesetze. Aber die Hitze ist überall gleich, das sollte auch gleich geregelt sein.» Ein Kollege ergänzt: «Auf den Isolationsfolien, die wir vor dem Betonieren auslegen, haben wir gestern 44 Grad gemessen.»

11.38 Uhr: 28,8 Grad
Der Lärm der Planiermaschine hallt über den Platz, im Hintergrund die Zapfsäulen der Tankstelle. Für die Arbeiter gibt es eine andere lebenswichtige Zapfstelle: zwei grosse Kühlschränke am Rand der Baustelle. Bauarbeiter Patrick Jelesic (28) sagt: «Wir erhalten hier Sonnen­crème und gekühlte Getränke gratis.»

«Die vom Baumeisterverband sollten mal ein paar Stunden hier auf der Baustelle verbringen.»

12.20 Uhr: 30,1 Grad
Die Arbeiter machen Mittagspause auf der Wiese im Schatten der Bäume. Polier Manuel Kühne (41) sagt: «Sicher merken wir, dass es immer heisser wird. Von uns hat keiner Freude, in diesen Temperaturen z bügle. Wir wären auch lieber in der Badi.» Und ergänzt: «Hier hat es zum Glück noch Bäume. Und unsere älteren Leute ab 50, die dürfen jetzt bei dieser Hitze um 15 Uhr nach Hause.»

Zum Zmittag hat sich Polier Kühne ein kaltes Müesli mit Bananen, Mandeln und Leinsamen vorbereitet. Ein älterer Bauarbeiter isst sein Schinkensandwich alleine im Baucontainer etwas abseits der Baustelle. Auf die Hitze angesprochen sagt er: «Das wird gäng wie meh.» Und einen richtigen Winter gebe es mit dem Klimawandel auch nicht mehr.

Die Unia verlangt, dass bei Temperaturen über 30 Grad die Arbeit auf den Baustellen angepasst oder ganz eingestellt wird. Einer der Baubüzer sagt dazu: «Bis wir da einen Baustop haben, werden wir noch viele Hitzetage erleben. Die vom Baumeisterverband, die sollten einfach mal ein paar Stunden in der Mitte dieses Platzes verbringen.»

13.30 Uhr: 21,3 Grad (Büro)
Telefon mit dem Projektleiter der Marti AG Marcel Künzler: «Ende August kommen die Gleisbauer, und wenn wir nicht termingerecht fertig werden, hat das einen riesigen Rattenschwanz zur Folge. Denken Sie nur an die Fahrpläne des Trams!»

Auf die Hitze angesprochen sagt Künzler, dass dies bei der Planung mit der Stadt schon länger ein Thema sei. Die gesetzlichen Grundlagen seien jedoch zu wenig klar, und es fehle noch der richtige Dreh in der Planung.

13.40 Uhr: 32,9 Grad (Baustelle)
Polier Kühne gönnt sich nochmals einen Moment im Schatten: «Wenn du den ganzen Tag auf dem Belag rumläufst, da bist du um 16 Uhr plemplem.»

15.10 Uhr: 33,8 Grad
Ein Radio läuft im Hintergrund. Baubüezer Jelesic sagt: «Die Musik macht die Hitze etwas erträglicher. Aber wenn die Maschinen laufen, hörst du eh nichts.»

16.05 Uhr: 34,1 Grad
Flirrende Hitze über der Baustelle. Heisser wird es heute nicht mehr, zum Glück. Ein paar Menschen kommen aus den temperierten Büros und wollen schnell weg.

Petition läuft: Ab 30 Grad muss Schluss sein!

In den Kantonen Genf und Tessin ist ein Baustop bei Temperaturen ab 30 Grad bereits Realität, in der Deutschschweiz gibt es Widerstände. Gesundheit geht vor Termin! Die Unia fordert schweizweit klare Kriterien für die Einstellung der Arbeit bei Schlechtwetter und Hitze sowie einen fairen Lohnersatz.

Jetzt die Petition an Bau­firmen, Bauherren und Politik unterschreiben.

16.36 Uhr: 33,9 Grad
Die Bauarbeiter machen für heute Feierabend. Arbeiter Jelesic erklärt: «Die Bauleitung wollte zwar, dass wir noch weitermachen. Aber jetzt isch gnue, die haben da vorne alles aufgerissen, und wir können die Randsteine heute nicht mehr weiterverlegen.»

Im Tessin und in Genf hätten sie ja auch schon längst Feierabend. «Jetzt gehe ich nach Hause ein paar Dinge erledigen, die wegen der Sechstagewoche liegengeblieben sind, und danach vielleicht noch auf eine Abkühlung in die Aare.»

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