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Giganto-Windräder: In Deutschland kurz vor dem Durchbruch

30 Jahre lang versuchte der Ingenieur Horst Bendix, bis zu 400 Meter hohe Windräder zu entwickeln, um die in diesen Höhen stärker wehenden Höhenwinde zu ernten. Und ausgerechnet jetzt, wo die Brummer in Betrieb gehen können, ist er gestorben.

HÖHER ALS DER EIFFELTURM: Ein einziges Windrad von Ingenieur Horst Bendix würde in der Schweiz pro Jahr bis zu 65 Millionen Kilowattstunden Winterstrom produzieren. In Deutschland geht der Bendix-Brummer bald in Betrieb. Der Erfinder selbst erlebt das leider nicht mehr. Er ist am 9. Juni 93jährig gestorben. (Foto: Sprind, Wikimedia; Montage: work)

Weltweit beschleunigt sich das Tempo des ökologischen Umbaus. Alles wird, wenn wir uns nicht täuschen, viel schneller gehen als bisher gedacht. In der Schweiz hat eine breite, faktenorientierte Debatte aber leider noch nicht begonnen.

Baustein 1: Wir müssen die bestehenden und unsicheren Atomkraftwerke so schnell wie möglich abstellen. Und den Umstieg auf Elektroautos und Wärmepumpen bis 2035 schaffen. Dafür brauchen wir, verglichen mit heute, 25 Milliarden Kilowattstunden Winterstrom zusätzlich. Und nur auf den Winterstrom kommt es an. Sommerstrom haben wir wie Sand am Meer.

Baustein 2: Zu Zeiten der Römerinnen und Römer galt: Alle Wege führen nach Rom. Das gleiche gilt für den ökologischen Umbau. Es findet ein Wettbewerb der Technologien statt. Und welche sich letztlich durchsetzen werden, ist offen. Absurd ist nur der Bummelzug, mit dem die Schweizer Politik den ökologischen Umbau ausbremst.

EIFFELTURM-RAD. Gute Nachrichten erreichen uns derweil aus Deutschland: Vieles spricht dafür, dass die Ideen von Ingenieur Horst Bendix kurz vor dem Durchbruch stehen. Nur traurig, dass Bendix diesen grossen Moment nicht mehr miterleben kann: Er ist am 9. Juni mit 93 in Leipzig gestorben.

In der DDR war SED-Mitglied Bendix eine grosse Nummer gewesen. Nach der Implosion der DDR als Technik- und Forschungschef des Leipziger Schwermaschinenbauers Kirow ebenfalls. Seit 30 Jahren versucht er nun, bis zu 400 Meter hohe Windräder zu entwickeln, um die in diesen Höhen stärker und weit gleichmässiger wehenden Höhenwinde zu ernten. Die Konstruktion hat keinen schweren Betonturm, sondern (wie der Eiffelturm) mehrere Standbeine, mindestens deren drei.

Das Resultat seiner Arbeiten stellt alles Bisherige auf den Kopf. Die grössten bisherigen Wind­räder produzieren pro Jahr bis zu 40 Millionen Kilowattstunden Strom. Das ist schon eine ganze Menge, wenn man bedenkt, dass ein Haushalt pro Jahr durchschnittlich 4500 Kilowattstunden Strom verbraucht. Doch die Bendixsche Windmaschine wird, wenn sie denn zum Laufen kommt, mit dem gleichen Rotor 100 Millionen Kilowattstunden produzieren. Somit 60 Millionen mehr. Das wäre ökonomisch und ökologisch quasi revolutionär. Je nach Quelle sollte das erste Bendixsche Höhenwindrad bereits nächstes Jahr in Betrieb gehen.

Das Problem: In der Schweiz werden schon weit kleinere Brummer am Widerstand von ­Landschaftsschützerinnen scheitern. Weil helvetische Landschaftsschützer, jedenfalls der Marke ­Raimund Rodewald von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, keine Klimaschützende sind. Sondern leider die Laufbuben und -mädchen der Atomenergie. Deshalb wird die Schweiz auch die Bendix-Chance absehbar vergeigen. Obwohl die Bendix-Türme die Alpen aufwerten würden. Und dank der Gitterkonstruktion selbst auf den Höhen des Walliser Saflischtals oder der Leventina leicht zu installieren wären.

Link zum Thema:

  • rebrand.ly/eiffelturm Der Ingenieur und Unternehmer Auguste Eiffel war ein gebürtiger Schweizer. Der Eiffelturm sein geniales Werk. In weniger als drei Jahren und dank Vorfabrikation bauten die Arbeiter den Eiffelturm, den damals höchsten Turm der Welt. Trotz viel Opposition wurde das Wahrzeichen der Weltausstellung von 1889 auch finanziell zu einem Renner. Weil es für den Turm nur 7500 Tonnen Stahl brauchte. Eiffel finanzierte den Bau und kassierte während der ersten 15 Jahre die Einnahmen aus den Eintritten. Vor dem Ersten Weltkrieg besuchten den Eiffelturm pro Jahr durchschnittlich fünf Millionen Menschen.
  • rebrand.ly/windmaschine Vor gut einem Jahr fragte diese Rubrik noch: Wird Erfinder Horst Bendix die Einweihung seines Riesen-Windrad-Eiffelturms noch erleben? Nun wissen wir: leider nein. Die Todesanzeige erschien am 24. Juni in der «Leipziger Volkszeitung».
  • rebrand.ly/bendix-erbe Kurz vor seinem Tod am 9. Juni erschien auf MDR-Wissen noch ein Artikel der Journalistin Katrin Tominski, der den Zwischenstand des faszinierenden Projekts zusammenfasst.

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